Elias Davidsson beherrscht die Kunst, einfache Fragen zu stellen. Danach sammelt er die einfachen Antworten, stellt sie in einen nahe liegenden Kontext und – vermittelt unerwartete Einsichten, lenkt im besten Fall das Denken auf eine völlig neue Ebene.
Eine einfache Frage ist z. B. diese: „Welche Journalisten haben Mohammed Atta als einen Terrorverantwortlichen für 9/11 bezeichnet ohne Beweise für diese Behauptung vorzulegen?“ Ohne Vollständigkeit anzustreben, identifizierte Davidsson rund 130 Journalistinnen und Journalisten von 26 der bekanntesten deutschen Mainstream-Medien.
Diese Journalisten haben nicht nur gegen mehrere Gebote des Pressekodex verstoßen, sondern, so Davidsson: „mit ihren unbewiesenen Behauptungen… zur Teilnahme Deutschlands an einem Angriffskrieg (gegen Afghanistan) beigetragen.“ (Seite 360f). Der Angriffskrieg aber zählt international zu den schwersten Verbrechen.
Mit ähnlich peinlich-einfacher Fragestellung ist Davidsson an die Werke von 100 Vertretern der akademischen Elite Deutschlands herangetreten, die sich im Jahr 2002 mit 9/11 und der zugehörigen Legendenbildung beschäftigten. Das Ergebnis ist ernüchternd, denn dem Frager wurde „kein deutscher Professor bekannt, der öffentlich die offizielle Legende des 9/11 und die Fiktion der Terrorbedrohung hinterfragt.“ (Seite 359). Und resumierend schreibt Davidsson: „Es ist für unsere Zivilisation wichtig zu wissen, wie es dazu kommen konnte, dass beinahe die gesamte intellektuelle Elite des Landes in dieser Sache versagt hat…“ (Seite 285).
Der Leser von Davidssons Buch muss sich wahrlich nicht erst klar machen, dass der Verfasser Jude ist, um sich an einen anderen Zivilisationsbruch zu erinnern, in dem „beinahe die gesamte intellektuelle Elite“ Deutschlands und nicht nur diese versagte.
Das waren drei Zitate. Und das ist das neue Buch:
(Zambon Verlag, Frankfurt am Main, 1. Auflage Januar 2017, ISBN 978-3-88975-252-9)
Der Band, mit einem Vorwort von Klaus Hartmann, hat 534 Seiten, davon 120 Seiten hochinteressante Materialien im Anhang. Der Anmerkungs- und Quellenapparat weist nicht weniger als 1320 Einträge auf, sogar ein 10-seitiges Personenregister ist vorhanden, Qualitäten, die heute keineswegs mehr selbstverständlich sind.
Das Buch ist klar gegliedert. Im Teil I werden in elf übersichtlichen Kapiteln + einer Zusammenfassung die Bausteine der 9/11-Legende dargestellt. Dabei geht es dem Autor nicht um eine weitere Detailschilderung aller Fakten, Fakes und Streitfälle. Vorhandenes, umfangreich publiziertes Material wird nicht erneut ausgebreitet. Vielmehr folgt der Autor immer seiner eigenen Richtschnur. Ich möchte sie einen konsequent rechtsstaatlichen Ansatz nennen. Das erscheint, wie oben schon bemerkt, ganz einfach: Ein Kapitalverbrechen liegt vor – Wie klärt der Rechtsstaat auf? Welche Ermittlungsroutinen greifen? Welche juristischen Verfahrensweisen werden angewandt bis hin zum Strafprozess? Erfolgte eine rechtsstaalich-korrekte Ermittlung der Schuld? Welcher Täter mit welchem Strafmaß?
Sich so auf die allein verbindlichen Rechtsmaßstäbe des demokratischen Staates stützend und jede Abweichung von der Norm aufdeckend, wie sie auf das Kerbholz interessierter mächtiger Kräfte kommen, vermittelt Davidsson etwas, was ich einen „Bewertungsvorsprung“ nennen möchte. Leser/Leserin bekommt eine „Durchblickrichtung“, die ihre Gültigkeit hat (und behält) unabhängig vom mehr oder weniger umstrittenen Einzelfaktum. Somit versinken weder der Autor noch seine Leserinnen in der Überfülle widersprüchlicher, von unterschiedlichster Seite präsentierter Fakten und „Fakten“, sondern betrachten primär, ob sie regelgemäß zustande gekommen sind oder ob etwa ihre Feststellung be- oder gar verhindert wurde.
Auch wer den Begriff „Verschwörungstheorie“ wertfrei und nicht als Kampfbegriff verwendet, kommt zu der Feststellung, dass Davidsson durchgängig Erklärungsversuche mittels Spekulation vermeidet. Sein Ansatz ist ein pragmatischer. Er analysiert, was ist bzw. war, was hätte sein müssen und welche Abweichungen nach Erklärung verlangen. Dabei billigt der Autor politischen Schwergewichten keine Ausnahmerechte zu, mögen sie nun US-Präsident oder UN-Weltsicherheitsrat heißen.
Das ist praktizierte Freidenkerei und Aufklärung in einem und führt von den bloßen Vermutungen oder unverbindlichen Verdachtsäußerungen auf die Ebene praktischer Annahmen, die „bis zum Beweis des Gegenteils als Grundlage für weitere Erklärungen, Untersuchungen, Forderungen und Maßnahmen“ (Seite 173) gelten dürfen. Das ist der Schritt auf die politische Ebene, der von ALLEN im Bundestag vertretenen Parteien vermieden wird.
An dieser Stelle unterbreche ich meine Buchbetrachtung und stelle ganz kurz einen anderen Elias Davidsson vor, nämlich den Komponisten. Im Netz habe ich viele kleine Stücke für den Klavierunterricht gefunden. Manchmal fühlte ich mich an Bela Bartoks „Mikrokosmos“ erinnert.
Und hier noch eine charmante Aufnahme:
Doch zurück zu dem Buch mit dem ernsten Thema.
Teil II beschäftigt sich mit dem modernen Terrorismus als Fiktion und als Realität. Es werden drei Haupttypen des Terrorismus unterschieden – Offener Staatsterrorismus, Authentischer Terrorismus und Verdeckter Staatsterrorismus. Die hier auf weniger als 20 Seiten vorgenommenen Unterscheidungen sind gültig für alle folgenden Ausführungen. Das sei deshalb unterstrichen, weil der Autor sich in den folgenden Teilen eindeutig auf die TerrorFIKTION konzentriert. Es ist die Stelle im Buch, an der ein größerer Exkurs über modernen Staatsterrorismus (einschließlich historischer Erkenntnisse) Platz finden und dem Werk eine weitere prinzipielle Dimension hinzufügen könnte.
Davidssons Hang zur Systematisierung ist eine Tabelle zu verdanken, die zehn Kriterien zur Unterscheidung von authentischem und verdeckten Staatsterrorismus bereitstellt (Seite 183f). So sehen erfreulich einfache Hilfsmittel aus, die nicht beanspruchen hochgestochene Wissenschaft zu sein, aber jedem Laien helfen können, den Wust vorliegender Informationen zu ordnen.
Teil III ist der Handhabung der 9/11-Legende und der Terrorfiktion gewidmet. Hauptgegenstand, wie -adressat dieses Abschnitts sind die deutschen Medien als Schwerpunkt, die deutsche Politik und die deutsche Wissenschaft. In präziser, feiner Untergliederung wird auf nur 35 Seiten eine Fülle aufklärungsfeindlicher und Verdummung produzierender Verhaltensweisen dieser Protagonisten angeprangert. Allein in diesem Teil werden rund 60 Belegstellen angeführt; niemals hat der Leser das Gefühl, mit bloßer Polemik abgespeist zu werden.
Teil IV ist überschrieben“Die gesellschaftliche Herausforderung“ und enthält nicht weniger als die Kernelemente einer Kritik des imperialistischen „Krieges gegen den Terror“ sowohl in seinen geopolitischen als auch seinen innerstaatlichen Dimensionen.
Das Buch endet mit dem Abschnitt „Diagnose und Therapie“. In ihm sind vier konkrete „Forderungen an das politische Umfeld“ ausformuliert, sechs „Forderungen an das mediale Umfeld“ und sieben „Forderungen im Bereich der Strafjustiz“. Damit entlässt uns der Autor in der Tat mit wesentlichen Bestandteilen eines demokratischen Aktionsprogramms in Zeiten der systematischen Aushöhlung der Demokratie und der verdeckten Faschisierung.
Abschließend ist noch zu erwähnen, dass der Anhang die ausführliche Bewertung von zwölf Terroranschlägen aus den Jahren 2001 bis 2016 nach der oben genannten Kriterientabelle enthält.
Dem Buch ist weiteste Verbreitung zu wünschen und eine baldige Nachauflage, die auch Gelegenheit bieten sollte, eine Anzahl Dreckfehler auszumerzen, eventuell ein knappes Sachregister beizufügen sowie das Namensregister zu überarbeiten. Der Bildteil, so klein er ist, hat nach meiner unmaßgeblichen Meinung eine gute Qualität und ergänzt den Text wirkungsvoll.