zur Sendung „ WissensWerte“ im INFOradio des RBB vom 09.10.2016
Thomas Prinzler moderiert schon eine Reihe von Jahren im INFOradio die interessante Sendereihe „ WissensWerte“, in der er Wissenschaftler und Forscher zu Themen verschiedenster Disziplinen befragt und vorstellt. So auch am 04.10.2016 im Bildungsforum Potsdam ( Sendetermin 09.10.2016 ) befragte er drei Gäste zum Verhältnis von ( Natur-) Wissenschaft und Religion.
Hier der Link zur Sendung ( 37 Min. Tonaufzeichnung ).
Für den Theologen Dr. Oliver Putz ist klar, es gibt einen Schöpfer – Gott, wenn auch transzendent, „ da sei etwas “, was sich offenbare in der Welt, so u.a. in dem anthropischen Prinzip ( der Feinabstimmung der Naturkonstanten ), die dazu führte, dass die Welt sich so ausbilden konnte, wie wir sie jetzt beobachten können. Es sei mehr, als nur reiner Zufall. Dabei dürfe man die Bibel als Offenbarung Gottes nicht wörtlich lesen bzw. nehmen.
Die beiden anderen Gäste, Prof. Wolfgang Lucht und Prof. Thomas Naumann, plädierten dafür, Wissenschaft und Religion deutlich voneinander zu trennen. „ Im Land des Wissens gäbe es nur Erkenntnis, aber kein Leid. Religion sei ein menschliches Phänomen“ und es ist ein „ Wunder “, dass wir Menschen die Welt erkennen könnten. Die Wissenschaft konzentriere sich darauf, „ was ist “, aber nicht darauf „ was sein soll. “ Am Anfang sei das Tohuwabohu, das Chaos, aber auch das ( Natur-) Gesetz, das Logos. „ Eine Dialektik von Chaos und Logos “. Menschen bräuchten moralische Grundlagen, Werte und Orientierung. Und trotz der europäischen Aufklärung könne man in unserer abendländischen Kultur diese moralischen Grundlagen nicht von der Religion trennen. Als Kronzeuge dafür wurde Bertolt Brecht aufgerufen, der in seinen Werken immer wieder biblische Bilder / Vergleiche herangezogen hätte. Da waren sich die beiden Professoren nicht einig, Einer von ihnen betonte, man könne heute durchaus ein moralisch verantwortlicher Mensch sein, ohne sich dabei auf eine Religion zu berufen.
Schwierig gestalte sich die Frage nach dem „ Anfang “ der Welt. Physikalisch sei das Milliarden Jahre v o r dem Menschen schon abgelaufen. Der Theologe meinte, da wäre nicht nur die Materie, die Physik in die Welt gekommen, sondern auch für uns Menschen eine Verheißung, eine Hoffnung. Die Urknall – Hypothese könne den physikalischen Ablauf erklären bis auf die ultrakurze Zeitspanne von 10 – 43 Sekunden nach dem Big Bang. Es sei somit eine semantisch sinnlose Frage, was denn vor dem Urknall gewesen wäre, weil auch erst mit dem Urknall die Zeit entstanden wäre.
Problematisch erwies sich die Frage nach „ Grenzen “ der menschlichen Erkenntnis. Nach Galilei könnten sich zwei Wahrheiten, die Wahrheit der Bibel und die Wahrheit der Natur, nicht widersprechen. Es gäbe zwar viele Welten, Multiversen, aber unser Gehirn sei nicht „ gemacht “ um diese Grenzen aufzufinden.
Ich möchte hier nicht alle Fragen zu dieser Sendung referieren, außerdem habe ich nur für mich bemerkenswerte Teile aufgegriffen. In einer Mail an den Moderator Thomas Prinzler stellte ich nur zwei Fragen :
1. die Grenzen unser menschlichen Erkenntnis / unseres Wissens
Für mich stellt sich diese Frage so nicht ! Der menschliche
Erkenntnisprozess ist UNENDLICH, unbegrenzt ( solange es denkfähige
Menschen geben wird ) !! Sicher gibt es immer einen aktuellen Stand
unserer Erkenntnis ( quasi die vorderste Forschungsfront ), aber diese
aktuelle “ Grenze “ wird irgendwo auf der Welt in jedem Augenblick
irgendwie überschritten ( und wenn es zunächst nur als Idee /
Hypothese ist ). Es gibt kein Ende, keinen absoluten Abschluss in der
Erkenntnis. Ich kann auch keinen Sinn in der Frage nach einer “ Grenze
“ für unser Wissen erkennen. Es sei denn, man erteilt Denkverbote,
dass man hier, warum auch immer, nicht weiter denken dürfe.
2. zur “ Urknall – Hypothese „
Wie schon der Name “ Hypothese “ besagt, ist es eine intelligente
Vermutung / Annahme ( sicher, die heute von vielen Physikern vertreten
wird ), aber mit dem “ Schönheitsfehler “ der nicht erklärten
Singularität ganz am Anfang. Daneben vertreten einige Physiker andere
Erklärungen ( z.B. “ Quanten – Schleifen – Gravitation “ ) Diese
Deutung erscheint mir viel plausibler. Danach gibt es KEINEN Anfang,
weil Materie immer da war und sein wird in einem ewigen Prozess steten
( Form – ) Wandels.
Danach kann / muss Materie nicht “ erschaffen “ werden. Damit
entfällt auch der letzte Gedanke einer “ Erschaffung “ der Welt.
Ich erlaube mir, hier noch etwas zu ergänzen, was über den engeren Rahmen der Natur – Wissenschaft hinausgeht, aber für mich eindeutig die Wirkung eines Denkverbots hat. Es geht um die grundsätzlichen Lehraussagen der „ Wirtschaftswissenschaft “ / der Volkswirtschaftslehre. Hier herrscht seit vielen Jahrzehnten ein neoliberales / neoklassisches Dogma über den Markt und die Marktmechanismen. Das ist verschiedentlich kritisiert worden ( u.a. auch von T. Piketty, man bastele oft kleine mathematische Modelle, hätte aber aus dem Blick verloren, dass die Ökonomie zu den Sozialwissenschaften gehöre ). 95 % der Ökonomie – Professoren „ predigten“ dieses Dogma und konditionierten so Millionen von Studenten weltweit einseitig falsch und immunisierten sie oft erfolgreich gegen jeden neuen Gedanken einer Alternative für eine neue solidarische, selbstbestimmte Wirtschaft. Nach meiner Auffassung verstößt diese „ Ökonomie “ auch gegen wissenschaftliche Methodenprinzipien der Wahrheitsprüfung an der praktischen Erfahrung.
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Update von Axel Popp 26.10.2016 (20.10. 2016);
Am 09.10. (11.10.) hatte ich hier Bezug genommen auf eine Sendung in INFOradio. “ Am Anfang war das Nichts ?“ mit Thomas Prinzler.
Heute ( 20.10.2016 ) lief in der Sendereihe Scobel in 3sat die Sendung “ Das Dunkel der Astrophysik “ mit 3 Astrophysikern, die sich genau auch mit dem Urknall und einem möglichen “ Beginn “ von Allem befasste.
Hier wurden genau die “ Theorie “ des Urknalls in Frage gestellt. Über die ersten 380.000 Jahre nach dem “ Urknall “ ( bei dem Alter unseres Universums von 13, 8 Mrd. Jahren ) kann heute überhaupt keine Aussage gemacht werden! Interessant das Interview mit der Kosmologin Lisa Randall. Es bestehen nur mehr oder weniger plausible Annahmen darüber. Es sei zu vermuten, dass mit der weiteren Aufklärung der “ dunklen Energie “ ( 72 % ) und der “ dunklen Materie ( 23 % ) auch diese frühen Prozesse besser zu verstehen sind.
Mich störte nur die Verwendung des Begriffs “ Theorien “ für verschiedene mathematische Konstrukte zu einer Deutung der Abläufe ( so nutzt Randall nur 5 Dimensionen gegenüber den 11 Dimensionen der String – Theorie )
Wie ich die Wissenschaftstheorie verstanden habe, liegt eine THEORIE dann vor, wenn ihre Aussagen weitgehend überprüft und an empirischen Daten belegt ist. ( Wahrheitsprüfung ) Während hier Modelle, Annahmen ja Spekulationen vorliegen, die bestenfalls eine Hypothese darstellen können.
Auf jeden Fall stehen diese Aussagen im Widerspruch zu den ziemlich absoluten Behauptungen der Sendung “ WissensWerte „.
Gruß. Axel
Meine Begriffsbildungen „marktkonforme Humanisten“ oder „marktkonformer Humanismus“ lehnen sich an die Erfindung der „marktkonformen Demokratie“ an. Diese geht offenbar auf die Kanzlerin zurück, die sich 2011 in diesem Sinne äußerte und zwar mit der folgenden gewundenen (merkeltypischen) Formulierung: „Insofern werden wir Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist, also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben.“ (Quelle). Wer in dieser Art schwurbelt, kann sich ‚rausreden, wenn er „erwischt wird“. Das ‚Rausreden führt in der FAZ ein Merkelverteidiger vor. Hier dagegen klärt jemand darüber auf, welcher Sprengstoff in Merkels Statement wirklich steckt.
Es geht um den neoliberalen Durchmarsch. Der Begriff „Neoliberalismus“ enthält zwar heterogene (darunter apologetische) Elemente und wird heute fast inflationär gebraucht, zentral bleiben dennoch die Bedeutungen „Marktradikalismus“ oder „Marktfundamentalismus“ (mit Marschrichtung „Marktterrorismus“). Auch dieses sind verhüllende Begriffe. Sie stehen für eine historisch neue Qualität der Marktsteuerung im Interesse extremer (auch neuartiger) Sonderprofite und von Machterhalt und -steigerung des Konglomerats der „unverzichtbaren“ transatlantischen Imperialisten-Oligarchen. Heute gilt darüber hinaus: Dieser Kerninhalt wird zunehmend ausgeformt zum strategischen Konzept der totalen Zurichtung ALLER Strukturelemente der Gesellschaft. Das Konzept wird anscheinend gleichzeitig entwickelt, erprobt und kontinuierlich verwirklicht.
Ich bin kürzlich bei der kritischen Betrachtung der Friedensbewegung darauf gestoßen, dass ihre beschränkte Ausstrahlungskraft und Mobilisierungsfähigkeit nicht zuletzt in einer Selbstfesselung durch die Übernahme neoliberaler Positionen wurzelt. Zwar folgen keineswegs alle Friedensbewegten dieser Anpassung, viele ihrer namhaften, markanten Persönlichkeiten, die oft Einflusspositionen einnehmen, tun es aber umso bereitwilliger. Von meiner Feststellung fühlte sich Otmar Steinbicker aus Aachen persönlich angesprochen. Seine Entgegnung, ebenso die Äußerungen Einiger, die ihm beipflichten, ist knapp gehalten. Sie erscheint mir bemerkenswert halbherzig. Da geht jemand zum Neoliberalen auf Distanz (zumindest tut er so) aber er scheint nicht recht zu wissen (oder wissen zu wollen), warum er das tut, was er da tut.
Neoliberalismus als ALLE Bereiche der Gesellschaft zersetzendes Phänomen wird bemerkenswert wenig reflektiert. Warum?
Ein voller Sieg neoliberaler Konformität auf philosophisch-ideologischer Ebene war kürzlich bei der vom Humanistischen Verband Deutschlands in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat ausgerichteten Konferenz „Frieden und Orientierung – Humanistische Beiträge zur offenen Gesellschaft“ zu beobachten. Neben Anderen referierte der namhafte, namhafte Lebenskunst-Philosoph Wilhelm Schmid (Universität Erfurt); über „Lebenskunst und integrative Gesellschaft“.
Einschlägige Problemfelder, die geringeren Geistern erhebliches Kopfzerbrechen bereiten, schob Prof. Schmid recht unbekümmert vom Tisch: Kapitalismus? Das sei, sich mit „einer Ausrede“ zu beschäftigen. Nation? Das sei „Flucht vor Verantwortung“. So schlug sich Schmid mit derben Hieben durch das verhasste Unterholz des „Parteipolitischen“, um in luftiger philosophischer Höhe seine Lebenskunst zu verankern.
Je abstrakter, umso besser lässt sich betrügen – praktiziert die Kirche seit Jahrhunderten. Schmid sprach aber nur wenig Latein: Eine volle Breitseite richtete er gegen die „Identität“. Das sei ein völlig untauglicher Begriff für die Begründung der menschlichen Lebenskunst. Ein wahrer Antibegriff, denn er behaupte das Feste, das Immergleiche, das Tote. Er behaupte das, was es gar nicht gibt. Schmid verkündete den wahren, den erlösenden Begriff: „Integrität“. Der sei auf ALLE Facetten des Lebens gerichtet und erfasse die tausendfachen (möglichst bewussten) Bemühungen des Individuums, in sich die Vielfalt aller Lebensmomente bestmöglich zu vereinigen. Das aber könne und dürfe „nicht gelingen“.
Lebenskunst also, nach dem neoliberalen Philosophen, erschöpft sich in einer Art „lebenslangen integrierenden Strampelns“ des Individuums, das um Gottes willen, nie eine Identität erlangen möge und also auch niemals den ihm vorgegebenen Verhältnissen als Subjekt gegenüber tritt.
Natürlich ist nichts einzuwenden gegen die Betrachtung des sogenannten „Integrierens“. Im Gegenteil, die Prozesse des Austauschs in der Gesellschaft, ihr Stoffwechselprozess mit der Natur und all das vermittelt über die Tätigkeit gesellschaftlicher Individuen und sozialer Einheiten, müssen analysiert und begriffen werden. Die Crux des Herrn Professor liegt in der Leugnung von Identitäts-Fixpunkten im gesellschaftlichen Gewebe. Sie liegt letztlich darin, zu bestreiten, dass menschliche (organisierte) Subjekte das imponierende Chaos des heute alles durchwuchernden Profitstrebens beenden und ihren gesellschaftlichen Stoffwechselprozess nach menschlichen Maßen gestalten könnten. Die „theoretische Begründung“ dieser Lehre steht und fällt mit der Auffassung der Identität. Schmid scheint nur die „schlechte“, „leere“, tote zu kennen. Weg damit! Identität, die ihr Anderes in sich trägt, scheint außerhalb seiner Vorstellungswelt zu liegen. Identität als Kulminationpunkt von Dynamik? Nie gehört, nie gesehen, nie gedacht. 2000 Jahre Dialektik und 200 Jahre moderne Dialektik existieren nicht.
Die philosophischen Setzungen des Professors erfuhren im Auditorium der mehr als hundert Interessierten keinen Widerspruch. Dankbar wurden einige „Scherze mit tieferer Bedeutung“ aus dem Werkzeugkasten des erfolgreichen Unidozenten aufgenommen. Mein Einwurf, dass die gewiss komplexe Lehre von der Lebenskunst sich um einen Basiswert kümmern müsse – die Sicherung der Existenz des Lebens – und dass die aggressiven Akte der NATO gegen Russland (ich erwähnte die jüngste Raketenstationierung in Rumänien) genau diese Voraussetzung aller Lebenskunst gefährden, riefen den heftigsten Unmut von Wilhelm Schmid und seine strikte Zurückweisung solcher „platten Parteipolitik“ hervor.
Seine Erhabenheit über Parteipolitik hinderte ihn nicht, Deutschland (für weltmeisterliche Export- und Fußballleistungen bekannt) zur „selbstkritischsten Gesellschaft der Welt“ zu erklären. Von gleichartiger Qualität die wiederholte Behauptung, dass der Westen, dass Deutschland Protagonisten der „Offenen Gesellschaft“ seien.*
Das Auditorium zeigte sich nicht begierig, die Thematik zu vertiefen, desgleichen die Podiumsleitung, die jetzt abrupt und überpünktlich einen Schlusspunkt setzte.
Fazit: Das Thema nannte sich „Frieden und Orientierung“, und zuletzt hatte ich das Gefühl, im Waggon erster Klasse unter Schlafwandlern zu sitzen. Die Konferenz erstreckte sich über einen ganzen Tag, und manche Aussagen anderer Vortragender aber auch Gespräche am Rande wirkten dem erwähnten Gefühl entgegen.
Mein oben formulierter Satz: „Neoliberalismus als ALLE Bereiche der Gesellschaft zersetzendes Phänomen wird bemerkenswert wenig reflektiert“ gehört zum Fazit. Das Wie und Warum sollte unsereins weiter beschäftigen.