Freidenker-Brief Nr. 6/2016 v. 7. Oktober 2016:
Unter dieser Losung veröffentlicht der Deutsche Freidenker-Verband die nachstehende Erklärung und ruft damit seine Mitglieder und Sympathisanten auf, sich an der Bundesweiten Friedensdemonstration in Berlin am 8. Oktober 2016 möglichst zahlreich zu beteiligen.
Geplant ist ein Block mit dem Frontbanner „NATO raus – raus aus der NATO“. Wer dieser unserer grundsätzlichen Forderung Ausdruck verleihen möchte, sollte sich in diesem Block einreihen.
Die Freidenker beteiligten sich aktiv am Zustandekommen der Aktionskonferenz in Dortmund am 2. Juli 2016, auf der beschlossen wurde, zu der Berliner Demo aufzurufen. Wir haben mit unserem geduldigen Bemühungen um Zusammenhalt, Klarheit und Stärkung der Friedensbewegung dazu beigetragen, dass eine gemeinsame Plattform zu Stande kam, die den Grundsätzen des Internationalismus und Antiimperialismus entspricht. Sie ist hier veröffentlicht.
Inzwischen wurde allerdings auf friedensdemo.org eine Erklärung zum Syrien-Konflikt veröffentlicht, in der es u.a. heißt: „Wir rufen die Konfliktparteien auf: Lasst die Waffen ruhen. Es kann keinen militärischen Sieger, sondern nur Verlierer geben.“ Eine derartige pseudo-pazifistische Verwischung des wesentlichen Unterschieds zwischen den Aggressor-Staaten unter Führung der USA einerseits und Syrien und dem der syrischen Selbstverteidigung Hilfe leistenden Russland andererseits, ignoriert das Völkerrecht, desorientiert und schwächt die Friedensbewegung und verschleiert insbesondere die deutsche Beteiligung an der Aggression. Aber nicht nur zur Richtigstellung dieses „Ausrutschers“ sondern vor allem auf Grund der Tatsache, dass der Syrien-Konflikt in jüngster Zeit bis zur Gefahr eines direkten militärischen Konflikts zwischen USA und Russland eskaliert ist, unterstützen und veröffentlichen wir die nachstehende von einer kleinen Redaktionsgruppe erarbeitete Erklärung:
In den letzten Tagen und Wochen sind die Stimmen, die den Krieg gegen Syrien eskalieren wollen, lauter und aggressiver geworden:
Damit soll offenkundig eine mögliche Offensive der US-/NATO-Koalition gegen die Russische Föderation und die legitime syrische Regierung vorab als „humanitäre Aktion“ deklariert werden. Die Sorge um die Zivilbevölkerung ist ohnehin sehr unglaubwürdig: Angriffe der islamistischen Banden auf die von der Regierung kontrollierten oder befreiten Viertel, in die sich das Gros der Bewohner geflüchtet hat, werden ignoriert.
Anlass dieser Zuspitzung sind die Erfolge der syrischen Armee in der strategisch wichtigen Stadt Aleppo. Nicht ganz Aleppo befindet sich im Belagerungszustand, rund 1,5 Millionen Menschen leben in den von der Regierung gehaltenen Stadtteilen, ca. 15% der Bevölkerung Aleppos (zirka 250.000) dort, wo sich die kriminellen islamistischen Banden verschanzt haben. Die Rückeroberung dieser Teile Aleppos würde für die Anti-Assad Allianz das Ende der Hoffnung bedeuten, doch noch einen Regime Change erzwingen zu können.
Entgegen der aktuellen Schuldzuweisungen hat Russland von Anfang an eine deeskalierende Rolle gespielt – im Gespräch mit der vielfältigen Opposition einschl. bewaffneter Gruppen, mit der Unterstützung innersyrischer Gespräche, beim Genfer Abkommen 2012. Diese Bemühungen für den Stopp des Krieges und eine politisch Konfliktlösung scheiterten an den Nato-Staaten, die ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung an ihrem völkerrechtswidrigen Ziel eines „Regime Change“ festhalten. Sie machten den „Rücktritt von Assad“ bereits 2011 zur Vorbedingung, als diese Forderung in Syrien noch gar nicht erhoben wurde.
Die seit 2006 aus den USA verdeckt finanzierten regierungsfeindlichen Kämpfer wurden ab2011 durch den Zustrom zehntausender Dschihadisten aus aller Welt verstärkt und erhielten, koordiniert von der CIA und massiv finanziert von den arabischen Golfmonarchien, große Mengen moderner Waffen. Hunderttausende Tote, zerstörte Städte und Millionen von Inlandsvertriebenen sind bisher die Folge.
Militärisch griff Russland auf Bitten der syrischen Regierung ein, nachdem eine von der Türkei, Saudi Arabien und Katar finanzierte und ausgerüstete „Armee der Eroberung“ im Frühjahr 2015, aus der Türkei kommend in den Norden Syriens einfiel, und weite Teile um Aleppo und Idlib besetzte. Ausgerüstet war diese „Armee“ mit panzerbrechenden TOW-Raketen, die sie von den USA erhalten hatte. Der ehemalige CIA-Mitarbeiter Steven Kelley: „Die USA sind seit jeher der Hauptsponsor und zudem der Schöpfer von Daesh (‚IS‘). Die USA werden gar nichts tun, um dabei zu helfen, Daesh loszuwerden und sie werden alles Mögliche tun, um diesen wieder aufzubauen, neu zu bewaffnen, Nachschub und mehr Personal ins Feld zu bringen. Also alles, was sie sagen, ist eine Lüge.“
Der Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel stellte schon Anfang August 2013 fest „In Syrien sind Europa und die Vereinigten Staaten die Brandstifter einer Katastrophe.“ Die Bundesregierung war von Anfang aktiv an der völkerrechtswidrigen Regime-Change-Politik beteiligt und trägt Mitverantwortung für das Anheizen des Konfliktes. Sie lieferte nicht nur Waffen an die verbündeten Golfmonarchien, die die Söldnermilizen bewaffnen, sie beteiligt sich auch an einem völkerrechtswidrigen Militäreinsatz der westlichen Koalition, für den es weder ein UN-Mandat noch eine Einladung vom souveränen Staat Syrien gibt. Er ist gegen die syrische Souveränität und territoriale Integrität gerichtet, während Russland im Einklang mit dem Völkerrecht die rechtmäßige syrische Regierung unterstützt.
Wer sich um die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung Sorgen macht, muss zuerst das2011 von USA und EU beschlossene Embargo aufheben, mit dem die Bevölkerung zwecks Regime-Change ausgehungert und in Geiselhaft genommen wird. Weder Familienangehörige noch Hilfsorganisationen können Geld nach Syrien überweisen, Elektrizitätswerke, Wasserwerke und Krankenhäuser müssen schließen, weil sie weder Ersatzteile noch Benzin bekommen. Menschen, die vor fünf Jahren noch von ihrer Hände Arbeit leben konnten, werden zu Almosenempfängern degradiert. In dieser Situation klingt auch das Gerede über die Kriegsflüchtlinge aus Syrien nach purer Heuchelei.
Der Krieg in Syrien bricht jedes Völkerrecht, schwächt und instrumentalisiert die UNO. Die Maßnahmen der westlichen Koalition einschließlich der Bundesregierung gegen Syrien ergriffenen erfüllen nach der Definition der Resolution der VN-Generalversammlung vom 14. Dezember 1974 – A/RES/3314(XXIX) den Tatbestand des völkerrechtlichen Delikts der Aggression. Eine Gleichsetzung dieser völkerrechtswidrigen Politik mit dem Eingreifen Russlands („Auch Russland führt Krieg in Syrien ….“) ist verkehrt, weil es die Aggressoren entlastet und den Völkerrechtsbruch verharmlost.
Wir halten es mit den US-„Veteranen für Frieden“: „Die syrische Regierung hat das Recht, sich gegen die ausländische Aggression zu verteidigen, auch gegen die Pläne der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten, einen ‚Regime-Change‘ zu erzwingen.“ Unser Mitgefühl gilt allen Kriegsopfern in Syrien. Aber wir lehnen entschieden ab, ihr Leid als Vorwand für noch mehr Gewalt im Namen vorgeblicher Humanität zu missbrauchen.
Die Verschärfung der Eskalation kann schnell zu einer offenen Konfrontation mit der Atommacht Russland ausarten und die Menschheit an den Rand einer Katastrophe bringen. Die USA wollen eine militärische Dauerpräsenz in der Region, denn nach Worten ihres Kriegsministers Carter „haben wir dann noch den Iran und andere Probleme im Nahen Osten.“ Neben der Hegemonie über die riesigen Energiereserven bleibt die strategische Schwächung Russlands und Chinas Hauptziel des US-Imperialismus.
In dieser gefährlichen Situation fordern wir von der Bundesregierung
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes, Klaus Hartmann, hatte bereits am 30. September 2016 in einem Sputnik-Interview „Russland hat in Syrien die Nato-Mächte schockiert“ zu der Operation der russischen Luftstreitkräfte in Syrien festgestellt, dass diese durch die UNO-Charta gedeckt sei, während es sich bei der Aktivität der westlichen Koalition mit den USA an der Spitze um völkerrechtswidrige Angriffe handele. Siehe unter.
Siehe dazu auch den Kommentar von Rainer Rupp „Linke Friedenstäubchen flattern für Kriegstreiber“ unter:
https://deutsch.rt.com/meinung/41533-linke-friedenstaubchen-flattern-fur-kriegstreiber/
Und schließlich: Wer noch Buttons mit „NATO raus – raus aus der NATO“ braucht, kann diese bestellen unter Arbeiterfotografie.
Liebe Freidenkerin, lieber Freidenker, liebe Freunde, wir laden ein zu unserer nächsten öffentlichen
„Berliner Runde – Freidenker im Gespräch“
am Mittwoch, dem 14. September 2016, 18.00 Uhr
im Klub der Volkssolidarität, Torstr. 203 – 205, 10115 Berlin*
„Friedensfahrt Berlin-Moskau 2016“
Es berichten Freidenker, die an der Fahrt teilgenommen haben.
Die Friedensfahrt mit rund 250 Teilnehmern und Teilnehmerinnen, die vom 7. August bis 21. August 2016 stattfand, hatte mit Stettin, Kaliningrad, Gvardejsk, Schiauliai, Pskow, Utorgosh, Luba, St. Petersburg, Twer, Moskau, Smolensk, Katyn, Minsk und Warschau viel mehr Stationen als die obige Kurzbezeichnung erkennen lässt.
Immer und überall ging es uns um das friedliche Zusammenleben der Völker, besonders des deutschen mit dem russischen Volk. Wir haben der Opfer der Weltkriege gedacht und immer und überall gemeinsam mit unseren jeweiligen Gastgebern gefordert, dass es nie wieder Krieg geben dürfe. Wir alle, mit dieser „Volksdiplomatie von unten“, waren uns einig: Die kriegstreiberische Politik der NATO muss beendet werden!
In unserer Freidenkerrunde am 14.9. wollen wir sowohl bildhaft von unseren Erlebnissen berichten als auch einige Erfahrungen und Probleme ansprechen, über die wir uns Meinungsaustausch, wenn nötig auch Meinungsstreit, wünschen. Vielleicht können wir bei dieser Runde sogar beweisen, dass die russische Gastfreundschaft auch lukullisch ein wenig auf uns abgefärbt hat.
Zur inhaltlichen Orientierung der Friedensfahrt gibt es viele Dokumente. Wir möchten zur Vorbereitung die Petition hervorheben, die Dr. Rainer Rothfuss, Initiator der Fahrt, am 3. 8. 2016 gestartet hat und die bisher 9222 UnterstützerInnen zählt (Text der Petition in der Anlage).
Über die Fahrt selbst haben die konventionellen Massenmedien in Deutschland nicht berichtet (in Russland umso mehr). In einigen alternativen Medien jedoch gab es viele Informationen. Diese sind (leider) nur online zu finden, etwa auf der Seite „druschba.info“ aber auch tagesaktuell auf „opablog“.
Zu den Problemstellungen, über die wir uns Meinungsaustausch wünschen, gehören Fragen wie:
– Schließt unsere Bündnispolitik für den Frieden die Zusammenarbeit mit Rechten ein? Wen oder was bezeichnen wir überhaupt mit dem Begriff „Rechte“? Sind das Fragen, die neue Anforderungen an uns stellen? (Es wäre hilfreich, wenn wir in diese Diskussion unser Freidenkerheft 1-16 einbeziehen würden, namentlich den Beitrag: „Nicht rechts, nicht links“? von Klaus Hartmann.)
– Ist eine neue Qualität demokratischer Massenbewegungen möglich, wie sie u.a. mit dem Slogan „Volksdiplomatie von unten“ umschrieben wird? Und wenn ja, wie können wir dazu beitragen, dass aus Möglichkeit Wirklichkeit wird?
– Haben wir ein nationales Interesse zu vertreten? Geschichtsbewusstsein gegen Geschichtsnihilismus? Was heißt das heute konkret?
Wir freuen uns auf unseren nächsten freidenkerischen Gedankenaustausch.
Leitungskollektiv der Berliner Freidenker
*S1-, S2-, S25-Oranienburger Str., U6-Oranienburger Tor
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Update 7.9.2016:
Zur Einstimmung auf unsere Diskussion sollte dieses Posting einschließlich des dort verlinkten Videos berücksichtigt werden.
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Anlage: Text der Petition von Dr. Rainer Rothfuss
Ein Tondokument des Deutschen Demokratischen Rundfunks mit Willi A. Kleinau aus dem Jahre 1951.
Die Teile zwei bis vier auf youtube.
Nur ein ganz kurzer Hinweis, einerseits, weil gegenwärtig so enorm viel passiert und es andererseits gerade darum wichtig ist, die Analysen zu finden, die wirklich Orientierung geben.
Eine solche Analyse zur Lage der Türkei und Erdogans gab es Ende Juni bei Analitik unter dem Titel: „Erdogans Kniefall und die Kriegserklärung des Westens“. Wobei die beiden Kommentare (hier und hier) von Thomas Roth dazu eine wertvolle Ergänzung und Vertiefung darstellen.
Zum selben Thema gestern eine vielsagende russische Wortmeldung.
Übrigens ist Analitik fast immer äußerst lesenswert, z. B. auch hier zur gegenwärtigen geopolitischen Situation Russlands.