Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Heißer Herbst – Wo stehen wir? Wogegen und Wofür?

Mittwoch, 28. September 2022 von Webredaktion
Wann: Dienstag, 11. Oktober 2022, 18 Uhr
Wo: Kieztreff Wedding, Stralsunder Straße 6
13355 Berlin
Referent: Thomas Loch (Deutscher Freidenker Verband Sachsen-Anhalt)

Wir möchten versuchen, die Lage zu umreißen, in der diese Diskussion stattfindet:

Rasante hausgemachte Inflation, großflächige Zerstörung von Produktion, Handel und Lieferketten, Zusammenbruch der Energie- und Nahrungsversorgung, „Frieren und Hungern gegen Putin“ (also: „für die USA“), Dauerpropaganda zur Unterstützung eines offenkundig faschistischen Staates (Ukraine) und seines nicht gewinnbaren Krieges; das alles mit selbstverständlichem Auftreten der BRD als Kriegspartei – und nun ein offener Terrorakt zum Nutzen der Kriegstreiber gegen die deutsche und europäische Gasversorgung:

Auch unter den schwierigen deutschen Klassenkampf-Bedingungen ist es unübersehbar, dass Werktätige und Kleinunternehmer gemeinsam gegen die existenzbedrohende Regierungs-, EU- und NATO-Politik aufstehen. Das geschieht teilweise unter sehr bewussten Losungen, teilweise schwach organisiert und spontan. Es betrifft die Stimmungen im Lande auch da, wo noch nicht demonstriert wird. In anderen Ländern der EU dasselbe Bild, wobei die Proteste dort teilweise weiter fortgeschritten sind.

Es waren die herrschenden Kreise der BRD selber, die angesichts ihrer volksfeindlichen Politik das Gespenst von ‚Massenaufständen im Herbst‘ beschworen. Das geschah sogar durch den Mund jener Speerspitze, die am fanatischsten für die deutsche Beteiligung am dritten Weltkrieg gegen Russland und für den Faschismus trommelt: Außenministerin Baerbock brachte vor einigen Monaten das Wort  „Volksaufstände“ auf. Das wurde durch sämtliche NATO-Medien „in großer Sorge“ weiterverbreitet.

Daran ist zweierlei bemerkenswert.

Erstens, dass die herrschende Klasse selber einen „heißen Herbst“ herbeizuschreiben versuchte. Sie versuchte vorgreifend, Proteste gegen ihre Politik als „staatsfeindlich“, „rechts“ usw. abzustempeln und dann gegebenenfalls zu kriminalisieren, bevor sie überhaupt stattfanden. Vor dem Hintergrund des unbedingten Schulterschlusses mit dem ukrainischen und dem NATO-Faschismus kann aus dieser Stimmungsmache die Grundlage tiefgreifender Repressionen und Einschränkungen der Rede- und Versammlungsfreiheit erfolgen. Auch, wo es nicht zu Verboten kommt, ist die bekannte Methode einer Spaltung der Bevölkerung offensichtlich. Parallel wird versucht, Proteste weitgehend zu kanalisieren und unter die Losungen der Kriegstreiber zu bringen (so etwa die NATO-Demagogie vom „zu verurteilenden russischen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“).
Zweitens ist daran bemerkenswert, dass diejenigen, die hier plötzlich von „VOLKSaufständen“ sprachen, bisher bei jeder Gelegenheit behaupteten, dass es so etwas wie ein „Volk“ gar nicht gebe.

Nun steht der Herbst vor der Tür. Die Liste von Protestkundgebungen in deutschen Städten ist bereits zu lang, um hier angeführt zu werden. Allein in Plauen und Lubmin waren am vergangenen Wochenende zusammengenommen über 10 000 Bürger auf der Straße, es kommen zahlreiche weitere Kundgebungen dazu, nicht nur an Wochenenden, nicht nur „im Osten“.

(more…)

Hauptfeind Religion? Oder eine neue „Kirche des Guten“?

Mittwoch, 07. September 2022 von Webredaktion

wir laden ein zu unsere Runde „Berliner Freidenker im Gespräch“, die diesmal an einem Samstag im Seminarraum 2 des ND-Gebäudes stattfinden wird:

Referent ist Sebastian Bahlo, Bundesvorsitzender des Deutschen
Freidenker-Verbandes e.V.

Wann: Samstag, den 10. September 2022 um 18 Uhr.
Wo: Seminarraum 2
Neues-Deutschland-Gebäude
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin (Nähe Ostbahnhof).

Vortrag und Diskussion gehen aus von Sebastian Bahlos Aufsatz „Die
Kirche des Guten“ im FREIDENKER-Heft 1-22 (April 2022).
Was mit ‚Kirche des Guten‘, als Instrument der Herrschaftssicherung,
gemeint ist, haben wir zunächst anhand der Themen
„Corona“ und „Klima“ erfahren müssen. Die neue Stufe beschreibt der Autor so:

„Daß in dem korrupten Sumpf mit einem gelernten Komiker als
Präsidenten, in die Armee eingegliederten Nazibataillonen und der
alltäglichen Terrorisierung der russischsprachigen Bevölkerung ‚die
Freiheit‘ oder ‚europäische Werte‘ verteidigt werden sollen – es ist zu
hoffen, daß Menschen übrigbleiben, die darüber einmal werden lachen
können.

Der irrationale Kult hat breite Massen erfaßt. Ein blaugelbes
Fahnenmeer bekundet seine bedingungslose Solidarität mit einem Land,
dessen Nationalisten schon in zwei vergangenen Weltkriegen von
Deutschland gegen Rußland ausgenutzt wurden. Der neuen deutschen
Religion fehlt auch nicht der Kreuzzugsgedanke.

Es fehlt ihr auch nicht die Inquisition.“

Bei diesen Feststellungen geht es nicht nur um die
Übertragung von Begriffen wie „Religion“ und „Kirche“ auf ein
anderes Gebiet. Wir wollen über Schlussfolgerungen diskutieren, die sich daraus für die Religionskritik ergeben. Im selben Text heißt es auch:

„Einerseits zielt Religionskritik nicht auf die Gesamtheit der
religiösen Erscheinungen ab. Andererseits zielt sie auch nicht nur auf
Religion im engeren Sinne ab. Wie … leicht ersichtlich wird, muß der
antireligiöse Kampf seinen Zweck verfehlen, wenn er andere
Erscheinungen, die zur Festigung einer idealistischen Weltanschauung,
zur Unterordnung des freien Denkens unter unhinterfragbare Dogmen und
zur Ausdehnung der Macht der dahinterstehenden Kräfte beitragen, außer
acht läßt. Es sind aber gerade derartige Erscheinungen außerhalb der
klassischen Religion, die jetzt in Deutschland dominieren.“

Ausgehend von diesen Beobachtungen wollen wir also der Frage nachgehen,
ob in der philosophischen, humanistischen und politischen
Auseinandersetzung mit der religiösen Weltanschauung die Religion
derzeit als Hauptfeind gelten muss – oder unter Umständen nicht auch
als Verbündeter. In welchem Verhältnis steht die neue „Kirche des Guten“ dazu?

Wie immer sind alle zu dieser öffentlichen Veranstaltung herzlich
eingeladen.

Zum Weltfriedenstag / Antikriegstag

Dienstag, 06. September 2022 von Webredaktion

Rede von Sebastian Bahlo,

Bundesvorsitzender des Deutschen Fredenker-Verbandes e.V.,

gehalten in Fankfurt am Main

Liebe Friedensfreunde,

ich grüße Euch zu dieser Veranstaltung des Deutschen Freidenker-Verbandes Hessen anläßlich des Antikriegstages, der traditionell am morgigen 1. September begangen wird.

An diesem Tag sollte der Protest gegen Kriegspolitik und Imperialismus durch ein möglichst breites  Bündnis verschiedener Kräfte der Friedensbewegung in die Öffentlichkeit getragen werden, Trennendes sollte in den Hintergrund treten, Aufrufe sollten so formuliert sein, daß sie die breitestmögliche Zustimmung der für Frieden Kämpfenden finden können.

Wir haben uns dagegen entschieden, die morgige Frankfurter Kundgebung am Opferdenkmal in der Gallusanlage unter Federführung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Friedens- und Zukunftswerkstatt zu unterstützen. Es gibt Aufrufe, die schließen nicht nur vorsätzlich gewisse Teile der Bewegung aus, sondern die stellen auch das eigentliche gemeinsame Anliegen auf den Kopf. Wir meinen, daß es sich bei dem Aufruf, mit dem der DGB die morgige Veranstaltung bewirbt, leider so verhält. Bevor ich das näher begründe, holen wir aus dem Archiv eine Pressemitteilung, die der DGB vor 23 Jahren zum Antikriegstag 1999 veröffentlicht hat. Darin hieß es:

Der Kosovo-Krieg hat gezeigt, dass Bemühungen um die friedliche Beilegung von Konflikten an Grenzen stoßen können. Alle Versuche in Rambouillet und Paris, die serbische Staatsführung auf dem Verhandlungsweg zum Einlenken zu bewegen, scheiterten an der Haltung der serbischen Staatsregierung. Die Nato griff ein, weil die Völkervertreibung und der Massenmord durch Verhandlungen nicht gestoppt werden konnten.“

Der DGB machte sich damals die dreisten Lügen der NATO und der deutschen Schröder-Fischer-Regierung zueigen, die gezielt einen Vorwand zum völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien geschaffen hatten. Die angeblichen Verhandlungsversuche in Rambouillet waren nichts anderes als eine inakzeptable Erpressung, jugoslawische Sicherheitskräfte gingen rechtmäßig gegen die vom Ausland unterstützte kosovoalbanische Terrororganisation UCK vor, Vertreibung und Massenmord waren schließlich das Ergebnis des NATO-Bombenkriegs. Nicht einmal die Motive des Aggressionsbündnisses NATO stellte der DGB damals in Frage. (more…)

Unsere Sache ist gerecht!

Montag, 05. September 2022 von Webredaktion

 Antifaschistische Strategie gestern und heute

Liebe Anwesende, liebe Genossen,

ich danke der DKP Strausberg herzlich für die Einladung hier heute zu reden.

Euch, die Ihr seit Jahren diese in der Deutschen Demokratischen Republik errichtete Gedenkstätte lebendig erhaltet und gegen wiederholte Schändungen verteidigt, – Euch muss ich nicht erklären, worum es bei der geheimen Zusammenkunft von Antifaschisten am 24. August 1941 ging; auch nicht, warum unserer Gedenkversammlung in der heutigen Weltlage eine im Vergleich zu den Vorjahren besondere Bedeutung zukommt.

Der Versammlung vom August 1941 war der Überfall des faschistischen Deutschland und seiner Verbündeten auf die Sowjetunion vorausgegangen. Das war der Grund für diese Zusammenkunft. Das heißt: sie war zwingend, es ging um zwingende Fragen des Klassenkampfes und des antifaschistischen Widerstandes. Sie waren so zwingend, dass die Antifaschisten, die hier zusammenkamen, sehenden Auges dafür ihr Leben riskierten. Ein Verräter unter ihnen reichte aus, um sie dem Naziterror auszuliefern. Ein solcher hat sich gefunden.

Die über 50 Teilnehmer dieses denkwürdigen Treffens versammelten sich, lebten und starben erhobenen, nicht gesenkten Hauptes. Auch unter den Folterungen und Hinrichtungen durch die Faschisten.

Warum haben diese Märtyrer an der schwierigsten und gefährlichsten Klassenkampf-Front, von Verrätern umgeben, sowie von einer Propaganda, die – ähnlich, wie heute die NATO-Propaganda gegen Russland und China – aus allen Volksempfängern täglich phantastische Siege der faschistischen Wehrmacht verkündete, – warum haben sie ihre Gewissheit nicht verloren? Der Grund dafür war der einfache, klare und wahre Satz, den Ernst Thälmann zu einem seiner Gefängniswärter geäußert haben soll: „Stalin wird Hitler das Genick brechen.(more…)

Dem Frieden im Weg

Freitag, 01. Juli 2022 von Webredaktion

oder

zum Elend der heutigen Friedensbewegung

von Sebastian Jahn

Das anlässlich des Krieges in der Ukraine von Bundestag und Bundesrat genehmigte 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungspaket für die Bundeswehr ist Gegenstand einer am 2. Juli in Berlin stattfindenden Kundgebung, die sich anschickt, unter dem Motto »100 Milliarden für eine demokratische, zivile & soziale Zeitenwende« gegen jenes Aufrüstungspaket zu mobilisieren. Der Unterstützerkreis reicht von attac, über IALANA und DFG bis hin zur Linksjugend und zur DKP. Zentrales Anliegen der Initiative ist, wie der Name schon vermuten lässt, »die Umwidmung der Mittel [des Aufrüstungspakets, Anm.d.Verf.] zum Ausbau des Sozialstaats«, das heißt »massive öffentliche Investitionen und dauerhafte Ausgabenerhöhungen für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Klima«, oder konkreter: »je 20 Milliarden in die öffentliche Energie- und Verkehrsinfrastruktur, in die Sanierung von Schulen und Hochschulen, in den personellen Ausbau des Gesundheitswesens, in sanktionsfreie soziale Mindestsicherungen und in die Förderung von Museen, Theatern, Kinos und Bücherhallen«.

Das klingt ja alles ganz hübsch und nett, doch man fragt sich, warum ausgerechnet eine Bundesregierung, der in der militärischen wie wirtschaftlichen Kriegsführung gegen Russland jedes Mittel recht ist, sogar die Wiederinbetriebnahme der von den Grünen sonst bei jeder Gelegenheit verteufelten Braunkohlekraftwerke, sich veranlasst sehen sollte, plötzlich von dem eben noch euphorisch gefeierten Aufrüstungsprogramm abzulassen. Hier wird man schließlich auch des Elefanten im Zimmer gewahr, über den sich der Zeitenwende-Aufruf geradezu peinlich ausschweigt: die Sanktionen gegen Russland.

Die sind nämlich die Erklärung dafür, was in der nächsten Zeit auf uns zukommen wird und sich schon jetzt sehr handgreiflich bemerkbar macht: Massive Teuerungen elementarer, lebensnotwendiger Güter, eine Energiekrise epochalen Ausmaßes, der Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige, galoppierende Arbeitslosenzahlen etc.pp. Selbst die geforderten 100 Milliarden »für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Klima« nähmen sich verglichen damit wie der Tropfen auf dem heißen Stein oder wie Opium aus, das zwar die Schmerzen vorrübergehend lindern, die Krankheit aber keineswegs heilen kann.

Aber warum dieses Setzen auf Forderungen und Losungen, die keine Wirkmacht entfalten können, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, wiewohl sie subjektiv ernst gemeint sein mögen? Um eine mögliche Antwort auf diese Frage zu finden, soll im Folgenden die Geschichte der westlichen Friedensbewegung der letzten 50 – 60 Jahre kurz rekapituliert werden.

Das zentrale Thema der Friedensbewegung der 60er und frühen 70er Jahre war der Vietnamkrieg. Sofort drängen sich einem Bilder von »Ho-Ho-Ho Chi Minh« rufenden Schüler- und Studentenchören, »Flower Power«-Hippies, »Make Love, Not War«-Wohnmobilen, John Lennons »Imagine« und natürlich Kim Phúc, das vor einem Napalm-Angriff fliehende kleine Mädchen, deren Foto um die Welt ging, auf. Rückblickend wird gern erzählt, dass die Verbindung aus Hippie- und Studentenbewegung sowie Soldaten, die sich nicht länger für einen sinnlosen Krieg verheizen lassen wollten, für einen Stimmungsumschwung in den USA gesorgt und so zum Ende des Krieges maßgeblich beigetragen hätte.

Das stimmt nur bedingt. Tatsächlich entwickelte sich Vietnam mehr und mehr zu einem »Quagmire« (Sumpf), der nicht nur unzählige Soldaten, sondern auch Unsummen an Dollar verschlang. Dadurch geriet das 1944 von den USA installierte goldgedeckte Bretton-Woods-System, das Amerika weltpolitisch eine Vormachtstellung verschaffen sollte (angestrebter Unipolarismus), ins Wanken (1973 scheiterte es tatsächlich endgültig und machte dem Petrodollar Platz). Dass nicht die gesamte Monopolkapitalistenklasse der USA bereit war, dieses Risiko einzugehen, sollte von daher nicht verwundern.

Der Vietnamkrieg verursachte zudem einen starken internationalen Reputationsverlust und stand der Strategie, den kommunistischen Feind durch »tödliche Umarmung«, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Aspekte besaß, in die Knie zu zwingen, im Wege. Otto Winzer, damaliger Minister für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, prägte in Bezug auf die sozialliberale Ostpolitik, für die ähnliche Motive mit – wenn auch nicht allein – ausschlaggebend waren, à la Brandt und Scheel dafür den Begriff des »Imperialismus auf Filzlatschen«.

Die Tatsache, dass sich ein bedeutender Teil der Anti-Vietnamkrieg-Bewegung im Westen, insbesondere aber in den USA und Westdeutschland, aus breiten Schichten des akademischen Kleinbürgertums, aus der intellektuellen und kulturellen »Elite« des jeweiligen Landes, weniger aber aus der Arbeiterklasse rekrutierte, sollte nicht als isoliertes Phänomen, sondern im Kontext des eben Geschilderten gelesen werden. Zugespitzt formuliert: Unabhängig von den subjektiven Motiven ihrer Mitglieder spielte die Bewegung gegen den Vietnamkrieg objektiv einerseits die Funktion, den Fraktionen des Monopolkapitals, die ein Interesse an der Beendigung des Krieges hatten, eine gewisse Massenbasis zu bescheren. Andererseits war die sich hier parallel anbahnende, dem die Atomisierung der Gesellschaft forcierenden neoliberalen Zeitalter vorgreifende »kulturelle Revolution« (Stichwort antiautoritäre Erziehung, sexuelle Befreiung usw.) samt ihrer popkulturellen Erzeugnisse ein herausragendes Mittel im Propagandakrieg gegen die staatlich organisierte Arbeiterbewegung der Sowjetunion und ihrer europäischen Verbündeten.

Vergleichen wir die Bewegung gegen den Vietnamkrieg mit der gegen den Koreakrieg Anfang der 50er Jahre. Dort gab es keine relevanten Segmente des bürgerlichen Staatsapparats, die sich direkt oder indirekt hinter die Proteste gestellt hätten; abgesehen von vereinzelten Intellektuellen – vorwiegend Naturwissenschaftlern, die vor den Folgen einer möglichen nuklearen Auseinandersetzung warnten – war es ganz überwiegend der Arbeiterbewegung, namentlich der kommunistischen, vorbehalten, den Widerstand gegen einen Krieg zu organisieren, der direkte, militärische Systemauseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus war. 15 Jahre später, als es um Vietnam ging, ordnete sich diese kommunistische Bewegung mehr oder weniger einem weitgehend liberal dominierten Widerstand unter, der – bewusst oder unbewusst – seine eigene Agenda verfolgte.

Dieser Trend setzte sich nach dem Vietnamkrieg bis in die späten 80er Jahre fort. In dieser Zeit (Ende der 60er bis Ende der 80er Jahre) wurden die späteren Protagonisten der Kriegstreiber gegen Russland und China politisch sozialisiert: In den USA die Demokraten mit den Clintons an der Spitze, in Deutschland die ganze Riege der Grünen. Die Friedensbewegung ging mit ihrem Gegenteil schwanger, doch noch war das Kind nicht geboren. Dazu musste zuerst die Sowjetunion niedergerungen werden. Reagans Aufrüstungsspirale und der Krieg in Afghanistan gegen die US-gesponserten Mudschaheddin allein hätten das nicht vermocht. Die Spitze der KPdSU musste auch ideologisch vor dem Westen kapitulieren, was dann mit Gorbatschow schließlich geschah. Der Imperialismus auf Filzlatschen mit seinem verlockenden Angebot nach Weltfrieden und Annäherung der Systeme siegte. Nur sah das, was bereits unmittelbar folgte, überhaupt nicht nach Weltfrieden aus.

Die Abwicklung des Sozialismus in der Sowjetunion und Osteuropa 1989 – 1991 wurde begleitet vom Zweiten Golfkrieg, dem sich in Europa die Jugoslawienkriege, in Zentralasien der Afghanistankrieg, dann der Irakkrieg (Dritte Golfkrieg), der Libyenkrieg, der Syrienkrieg und eine Unzahl weiterer Kriege anschlossen, als deren Aggressoren jedes Mal NATO-Staaten mit den USA an der Spitze auftraten. Einen sozialistischen Block, der diesen angegriffenen »Peripherie«-Staaten militärisch oder politisch-ökonomisch hätte zu Hilfe eilen können, gab es nicht mehr.

Wie reagierte die Friedensbewegung auf diese veränderte Situation? Mit jedem neuen Krieg (abgesehen vielleicht vom Irakkrieg) spaltete und verzwergte sie sich aufs Neue. Aus vielen einstigen Kämpfern für den Frieden wurden Advokaten imperialistischer Angriffskriege, denn schließlich galt es doch, Menschenrechte herbeizubomben und herbei zu sanktionieren sowie Reinkarnationen Hitlers (Saddam, Milošević, Gaddafi, Assad) zu verhindern – alles im Namen des Antifaschismus, versteht sich (Joschka Fischer: Uranbomben auf Belgrad werfen, das sich an den Bombenterror der Wehrmacht nur zu gut erinnern konnte, weil »nie wieder Auschwitz«).

Zugleich ist dem Westen mit China aber ein neuer, ernstzunehmender Konkurrent herangewachsen und auch Russland hat sich vom Desaster der 90er Jahre weitestgehend erholen können. In einer gemeinsamen Allianz, der sich eine steigende Zahl an Entwicklungs- und Ländern der Dritten Welt angeschlossen hat und weiter anschließt, bieten diese beiden Staaten dem seit 2007/2008 in einer chronischen Verwertungskrise steckenden und von wachsender sozialer, politischer und kultureller Verelendung betroffenen Westen zunehmend Paroli. Seit 2022 wird dieser globale Konflikt als Stellvertreterkrieg in der Ukraine offen ausgetragen, über dessen Hintergründe ich in chronologischer Form bereits an anderer Stelle berichtete. Dieser Krieg lässt sich gut mit dem Koreakrieg der 50er Jahre vergleichen: Bei beiden handelt es sich im Kern um militärisch ausgetragene Konflikte unvereinbarer Gesellschaftssysteme, nur, dass dem Imperialismus dieses Mal eine Vielzahl an gesellschaftlichen Systemen gegenübersteht, deren gemeinsamer Wille sich auf die Beendigung des kolumbianischen Zeitalters und die Errichtung einer multipolaren Weltordnung konzentriert.

Eine Friedensbewegung, die sich auf diese veränderten Umstände nicht einzustellen vermag, ist dem Tode geweiht. Das linksliberal-linksgrüne Lager, das sich in den letzten drei Jahrzehnten vor der kapitalistischen Restauration 1990 vielleicht noch als Bündnispartner gegen Krieg und gegen imperialistische Einmischung anbot, ist heute selbst politisch-ideologischer Hauptfeind aller Kräfte, die aufrichtig für Frieden, Fortschritt, Humanismus und Antifaschismus einstehen. Bündnispolitische Rücksichtnahme auf Kräfte, die sich von einem Aufruf abgeschreckt fühlen könnten, in dem nicht gegendert wird, der nicht das linksistische »Vaterunser« herunterbetet, der dafür aber überhaupt und an erster Stelle auf die selbstmörderischen Sanktionen gegen Russland eingeht und sich traut, den eigentlichen Aggressor, also die NATO, klar zu benennen, kann de facto nur auf eine Vereinigung irrelevanter, von den realen Sorgen, Ängsten und Nöten der breiten Bevölkerung losgelöster Politsekten hinauslaufen, auf die der Gang der Weltgeschichte keine Rücksicht nehmen wird.

Die Losungen, unter denen sich eine zeitgemäße Friedensbewegung zu sammeln hätte, lassen sich auf drei Punkte beschränken:

Schluss mit den Sanktionen gegen Russland!

Frieden mit Russland und China!

Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland! Neutralität jetzt!

 

Erstveröffentlichung:

https://netzwerk-linker-widerstand.ru/magma/2022/07/dem-frieden-im-weg-oder-zum-elend-der-heutigen-friedensbewegung/?fbclid=IwAR3svsSMAl6LL6KGwxiTwXjbLgPHwtXJf91-eV33IhvybZpao0uUjPK_-A0

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