Metzger, Max Josef
geb. 03.02. 1887 in Schopfheim, Kreis Lörrach [Großherzogtum Baden], gest. 17.04. 1944 in Brandenburg-Görden (hingerichtet)
MAX JOSEF METZGER war der Sohn einer katholischen Lehrerfamilie und wuchs gemeinsam mit drei jüngeren Schwestern auf. Der Vater erzog ihn mit Strenge, die Mutter weckte in ihm frühzeitig soziales Engagement. Der Bruder seiner Mutter, der Priester war, sowie der Stadtpfarrer machten M.J.M. frühzeitig mit der Bibel und der katholischen Lehre vertraut. M.1. M. wuchs in einer Stadt im südlichen Schwarzwald mit ca. 3000 Einwohnern auf. Außer einigen kleineren Textilbetrieben und einer Papierfabrik gab es fast nur Handwerk und Gewerbe. Eine liberale und organisierte Arbeiterbewegung war daher kaum vorhanden.
Von 1893 bis 1896 besuchte M. 1. M. die Volksschule (heute: Dr.-Josef-Metzger-Schule) und danach die Realschule in Schopfheim. Um Latein zu erlernen, wechselte er die Schule, ging nach Donaueschingen, Lörrach und Konstanz. Hier bestand er 1905 das Abitur mit „sehr gut“. Ab dem Wintersemester 1905/06 studierte M. 1. M. zunächst an der Universität Freiburg im Breisgau katholische Theologie mit dem Schwerpunkt Kirchengeschichte.
Aber bald stand für ihn endgültig fest, Priester zu werden. So wechselte er 1908 an die Katholische Universität in Fribourg (Schweiz); 1909 beendete er das Studium und wurde an der Universität Freiburg mit der Dissertation Zwei karolingische Pontifikalien vom Oberrhein … (1914 bei Herder als Monografie erschienen) zum Doktor der Theologie promoviert. 1910 trat er mit einem Vortrag zum abstinenten Leben hervor, der große Aufmerksamkeit fand.
Am 4.Juli 1911 im Freiburger Münster zum Priester geweiht, wirkte M.1. M. bis 1912 als Kaplan in Karlsruhe, 1912-1914 in Mannheim und schließlich als Pfarrvikar in Oberhausen bei Herbolzheim.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges meldete sich M. J. M. als Kriegsfreiwilliger und wurde Militärgeistlicher bei einer Kavalleriedivision an der Westfront.
Die Kriegserlebnisse erschütterten ihn sehr. Und so nimmt es nicht wunder, dass er eine schwere Erkrankung, die ihn ab dem Sommer 1915 kriegsuntauglich machte, zum Anlass nahm, um einer Berufung an die Grazer Universität zu folgen. Im Oktober des gleichen Jahres wurde er ebendort Mitglied im Kreuzbündnis – Verband abstinenter Katholiken und war bald dessen Generalsekretär.
In vielen Veranstaltungen rief er zur Totalabstinenz auf. Neben gesundheitlichen und religionsasketischen Gründen waren für ihn vor allem soziale Argumente maßgebend.
Spannungen mit den Kirchenoberen provozierte er, weil er für eine Neuinterpretation des Neuen Testaments eintrat, vor allem hinsichtlich der Verwendung des Messweins beim Heiligen Abendmahl.
Ab 1916 verschrieb sich M.J.M. immer stärker der Friedensarbeit. Und als unter dem Eindruck der russischen Revolutionen 1917 auch in Deutschland und Österreich-Ungarn die Antikriegsbewegung stark zunahm, unterstützte er die Friedensinitiative von Papst Benedikt XV. dadurch, dass er seinerseits in einem Friedensprogramm in zwölf Punkten seine Auffassungen zu Krieg und Frieden darlegte.
Als unmittelbaren Schritt forderte er das Ende des „nutzlosen Blutvergießens“ und die Beendigung einer Politik, die „mit Machtmitteln die sittlichen Probleme des Zusammenlebens der Völker zu überwinden sucht und dabei immer aufs neue Kriege heraufbeschwört. Mit der im gleichen Jahr erfolgten Gründung des Weltfriedensbundes vom Weißen Kreuz (ab 1920 Weißes Kreuz, Katholische Innere Mission) gab er seiner Friedensinitiative eine feste selbstständige Plattform.
1918 erschien in Graz in dem von ihm bereits 1916 gegründeten Volksheilverlag (heute Kyrios- Verlag Meitingen/Freising) die Broschüre Friede auf Erden: Ein Aufruf Völkerverständigung. In ihr legte er seine VorsteIlungen zum Erhalt eines dauerhaften Friedens dar.
Mit seiner Ablehnung von Krieg und Gewalt wie auch sozialer Ungerechtigkeit kam er sozialistischen Auffassungen nahe. „Es ist unzulässig“, so formulierte er, „dass eine ganze Klasse von Almosen lebt, es ist nicht erlaubt, die Arbeit auf die Bettelsuppe des Besitzes anzuweisen. Was die Arbeit braucht, was sie fordern muss, ist Gerechtigkeit“, eine Sozialpolitik ftir die Menschen.
Diese sei aber nur möglich, wenn sich zumindest Großgundbesitz, Energieversorgung, Verkehrswesen in Gemeineigentum befanden.
1919 gründete M. J. M. mit anderen gemeinsam die später sog. Societas Christi Regis (die Christkönigsgeselschaft), war bis zuletzt deren Vorsitzender. Zu dieser Zeit nahm er den Namen Bruderder Paulus an. Ziel der ordensähnlichen Gemeinschaft, die zunächst in Graz, dann in Brno, später in Meitingen ihren Sitz hatte, war es, versti1iedene caritative und seelsorgerische Aufgaben für Männer und Frauen zu übernehmen.
Bald gab es verschiedene Filialen deutschlandweit. 1945 neu konstituiert, existiert die GeseIIschaft seit 1969 als Säkularinstitut diözesanen Rechts. Gemeinsam mit niederländischen Esperantisten schuf M. 1. M. 1920 die Katholische Internationale, deren Motto die Einheit aIIer Katholiken der Welt durch Einhaltung der Grundsätze des praktischen Christentums sein sollte.
In den 1920er Jahren trat er auf vielen internationalen Friedenskongressen auf. Seine Reden waren voller Schärfe und Kompromisslosigkeit. Auf dem Internationalen religiösen Friedenstag 1928 in Den Haag rief er zur Verwirklichung eines Reiches Gottes auf Erden auf, das „Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe“ verkörpern sollte. Und weiter forderte er, dass ein jeder für sich dieses Reich Gottes verwirklichen müsste, damit es auch allgemein verwirklicht werden könne. Dabei muss ein Krieg bekämpft werden, denn der „verdankt sein Dasein in der Welt dem Vater der Lüge“. Und weiter: Ja, der „Krieg selbst ist eine Lüge“, „… gieriger Mammonismus, frecher Imperialismus, überheblicher Nationalismus, zynischer Machiavellismus“ sind „Lügengeschwister, stehen an seiner Wiege“. Auf dem internationalen Kriegsgegnertag 1929 in Amsterdam warnte er vor einem neuen Krieg. Um ihn zu verhindern, müssten sich „Christentum und Sozialismus zusammentun, um nach dem letzten Krieg … endlich Frieden zu schaffen“.
Klar war fiir M.J.M., dass ein „Krieg ein Geschäft des internationalen Großkapitals [ist], das seine Profite aus dem dampfenden Blut der hingeschlachteten Menschen zieht“. „Mit einer solchen Einstellung war Metzger eine Ausnahmegestalt in der katholischen Priesterschaft“, wie HERMANN GERATEWOHL in einem Gedenkartikel zu Recht hervorhob (Neues Deutschland, 24./25.04.2004).
Da M.J.M. auch nach der Errichtung der faschistischen Diktatur seine konsequente Haltung nicht aufgab, sondern seine Tätigkeit vor allem in Deutschland eher verstärkte, wurde er 1934 erstmals verhaftet und eingekerkert. 1939 erfolgte dann eine Inhaftierung wegen seiner angeblichen Beteiligung am Attentat gegen Hitler im Münchner Bürgerbräukeller.
Zwischenzeitlich waren die Publikationen des hauseigenen Verlags der Christkönigsgesellschaft und ihre schlesische Zweigstelle verboten worden. Zahlreiche Veranstaltungen durften vor allem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht mehr stattfinden; viele Unterlagen wurden beschlagnahmt. Die Gesellschaft war kaum noch aktionsfähig.
Dem versuchte M. J. M. entgegenzuwirken, indem er 1940 von Meitingen in die Berliner Niederlassung im Pius-Stift in der Weddinger St.-Josephs-Gemeinde übersiedelte und von hier aus weiter wirkte. Bei Vortragsreisen durch 17 deutsche Städte gelang ihm entgegen der Haltung verschiedener Kirchenoberer die Gründung zahlreicher ökumenischer Gesprächskreise im Rahmen der schon 1939 gegründeten Bruderschaft Una Saneta.
Im Angesicht der Gefahren forderte er als erstes dazu auf, die christliche Glaubensspaltung zu überwinden. Seit 1941 davon überzeugt, dass der Krieg für Deutschland mit einer Niederlage enden würde, arbeitete er an einem Friedensmemorandum. Dasselbe enthielt auch Überlegungen für ein friedliches und demokratisches Nachkriegsdeutschland und sollte dem evangelischen Bischof von Uppsala übergeben werden. Dessen schwedische Landsmännin, die sich zur Übergabe bereit fand, war in Wirklichkeit eine Gestapoagentin. So wurde M. J. M. am 29. Juni 1943 verhaftet und ins berüchtigte Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße verbracht. Hier war er mehrere Wochen gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Deutschen Freidenker-Verbandes, MAX SIEVERS, in einer Zelle eingekerkert.
Am 14. Oktober 1943 wurde M.J.M. vom sogenannten Volksgerichtshof unter ROLAND FREISLER wegen „Hochverrats und Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt und später im Zuchthaus Brandenburg enthauptet.
Durch glückliche Umstände konnten die sterblichen Überreste vor der Einäscherung bewahrt und vorläufig in Brandenburg beigesetzt werden.
Von 1946 bis 1968 auf dem Hedwigsfriedhof in Berlin- Mitte begraben, fand M. J. M. seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Meitingen. Neben dem Grabmal befindet sich ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt – ein Herz der Kirche“. In Berlin erinnern im Wedding ein Platz mit seinem Namen und eine Gedenktafel in der Nähe der letzten Wirkungsstätte sowie ein Glasfenster in der St.-Johannes-Basilika in Neukölln mit Motiven von M.J.M. an den überzeugten Friedenskämpfer, Antimilitaristen und Antifaschisten.
Am 6. März 1997 hob das Landgericht Berlin das schändliche Todesurteil auf und erfüllte damit wie in ähnlichen Fällen einen Beschluss des Deutschen Bundestages vom 25. Januar 1985 zu Urteilen des „Volksgerichtshofes“.
Werke (Auswahl)
Zwei karolingische Pontifikalien vom Oberrhein, hg. u. ihre Stellung in d. liturg. Literatur untersucht mit geschichtl. Studien über d. Entstehung d. Pontifikalien, über die Riten d. Ordinationen, d. Dedicatio Ecclesiae. d. Ordo Baptismi. – Freiburg i. Br.: Herder Verl. 1914, XIV, 190, 115 S. (Freiburger theol. Studien; 17).
Gefangenschaftsbriefe./Eingel. u. hg. v. Hannes Bäcker. – 2., veränd. Aufl., Meitingen: Kyrios- Verl. 1948, 305 S. (Una Sancta Bücherei).
Für Frieden u. Einheit. Briefe aus d. Gefangenschaft /Eingel. u. hg. v. d. Meitinger Christkönigsschwestern. – 3., erw. Aufl., Meitingen; Kyrios- Verl., 1964, 205 S.
Christuszeuge in einer zerrissenen Welt: Briefe u. Dokumente aus d. Gefangenschaft 1 934-1944/Hg. u. einge!. v. Klaus KienzIer. – Neuausg., Freiburg i. Br.: Herder 1991, 349 S.
Literatur (Auswahl):
DROBISCH, KLAUS: Wider den Krieg. Dokumentarbericht über Leben und
Sterben des katholischen Geistlichen Dr. Max Josef Metzger, Berlin [DDR]:
Union Verl. 1970,209 S.
„FÜr den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche“: Begleitbuch zur Ausstellung Dr. Max Josef Metzger …/Hg. Stadt Schopfheim, Schopfheim 1987, 59 S.
REIMANN, MARTHA ; FIGELIUS, HERTA: Max loser Metzger: Bruder Paulus u. sein Erbe u. Auftrag im Christkönigs-Institut, 2., überarb. u. erg. Aufl., Meitingen: Christkönigs-Institut 1987, 50 S.
Ich gehe meinen Weg: Dr. Max loser Metzger zum 50. Todestag am 17. April 1994. – Hg. v. Christkönigs-Institut Meitingen, Meitingen: Christkönigs-Institut 1994, 60 S.
Dr. MAX loSEF METZGER (1887-1944), Regensburg; VerI. Schnell u. Steiner 1999, 19 S.
On, HUGO ; WEISS, ANNEMARIE ; REIMANN, MARTHA-GERTRUDIS: Dr. Max 10sef Metzger … Beitr. zum Gedenken. In: Freiburger Diözesan-Archiv, Bd. 106,3. Folge. Bd. 38. – Freiburg im Breisgau 1986, S. 187-255.
POSSET, FRANZ: Krieg und Christentum: KathoI. Friedensbew. zwischen d. Ersten u. Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung des Werkes von Max loser Metzger. – Meitingen-Freising 1978.
MAX loSEF METZGER: Bruder Paulus. -/Hg. v. P. Engelhardt, Fribourg 1980.
GERNOT BANDUR