Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Heißer Herbst – Wo stehen wir? Wogegen und Wofür?

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Wann: Dienstag, 11. Oktober 2022, 18 Uhr
Wo: Kieztreff Wedding, Stralsunder Straße 6
13355 Berlin
Referent: Thomas Loch (Deutscher Freidenker Verband Sachsen-Anhalt)

Wir möchten versuchen, die Lage zu umreißen, in der diese Diskussion stattfindet:

Rasante hausgemachte Inflation, großflächige Zerstörung von Produktion, Handel und Lieferketten, Zusammenbruch der Energie- und Nahrungsversorgung, „Frieren und Hungern gegen Putin“ (also: „für die USA“), Dauerpropaganda zur Unterstützung eines offenkundig faschistischen Staates (Ukraine) und seines nicht gewinnbaren Krieges; das alles mit selbstverständlichem Auftreten der BRD als Kriegspartei – und nun ein offener Terrorakt zum Nutzen der Kriegstreiber gegen die deutsche und europäische Gasversorgung:

Auch unter den schwierigen deutschen Klassenkampf-Bedingungen ist es unübersehbar, dass Werktätige und Kleinunternehmer gemeinsam gegen die existenzbedrohende Regierungs-, EU- und NATO-Politik aufstehen. Das geschieht teilweise unter sehr bewussten Losungen, teilweise schwach organisiert und spontan. Es betrifft die Stimmungen im Lande auch da, wo noch nicht demonstriert wird. In anderen Ländern der EU dasselbe Bild, wobei die Proteste dort teilweise weiter fortgeschritten sind.

Es waren die herrschenden Kreise der BRD selber, die angesichts ihrer volksfeindlichen Politik das Gespenst von ‚Massenaufständen im Herbst‘ beschworen. Das geschah sogar durch den Mund jener Speerspitze, die am fanatischsten für die deutsche Beteiligung am dritten Weltkrieg gegen Russland und für den Faschismus trommelt: Außenministerin Baerbock brachte vor einigen Monaten das Wort  „Volksaufstände“ auf. Das wurde durch sämtliche NATO-Medien „in großer Sorge“ weiterverbreitet.

Daran ist zweierlei bemerkenswert.

Erstens, dass die herrschende Klasse selber einen „heißen Herbst“ herbeizuschreiben versuchte. Sie versuchte vorgreifend, Proteste gegen ihre Politik als „staatsfeindlich“, „rechts“ usw. abzustempeln und dann gegebenenfalls zu kriminalisieren, bevor sie überhaupt stattfanden. Vor dem Hintergrund des unbedingten Schulterschlusses mit dem ukrainischen und dem NATO-Faschismus kann aus dieser Stimmungsmache die Grundlage tiefgreifender Repressionen und Einschränkungen der Rede- und Versammlungsfreiheit erfolgen. Auch, wo es nicht zu Verboten kommt, ist die bekannte Methode einer Spaltung der Bevölkerung offensichtlich. Parallel wird versucht, Proteste weitgehend zu kanalisieren und unter die Losungen der Kriegstreiber zu bringen (so etwa die NATO-Demagogie vom „zu verurteilenden russischen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“).
Zweitens ist daran bemerkenswert, dass diejenigen, die hier plötzlich von „VOLKSaufständen“ sprachen, bisher bei jeder Gelegenheit behaupteten, dass es so etwas wie ein „Volk“ gar nicht gebe.

Nun steht der Herbst vor der Tür. Die Liste von Protestkundgebungen in deutschen Städten ist bereits zu lang, um hier angeführt zu werden. Allein in Plauen und Lubmin waren am vergangenen Wochenende zusammengenommen über 10 000 Bürger auf der Straße, es kommen zahlreiche weitere Kundgebungen dazu, nicht nur an Wochenenden, nicht nur „im Osten“.

Bereits Ende Juni kam es zu einer kraftvollen Kundgebung in Schwedt gegen das antirussische Öl-Embargo und die Schließung der PCK-Raffinerie. „Wirtschafts- und Klimaminister“ Habeck konnte dort mit Ach und Krach seine Rede unter Buhrufen zu Ende bringen – abgefedert von ausgewählten Vorrednern, die die aufgebrachten Massen mit antirussischen Parolen „moralisch“ einzuschüchtern versuchten.
Im August rief die Kreishandwerkerschaft Dessau-Roßlau mit weiteren Werktätigen zu einer starken Kundgebung nach Dessau. Es ging gegen die antirussische Sanktions- und NATO-Kriegspolitik mit ihren eintretenden wirtschaftlichen Folgen, für deutsch-russische Freundschaft. Auch hier konnten zwar „Bewegungsmanager“ ihre Redebeiträge unterbringen. Ihre Ansätze, die anwesende Masse mit antirussischen Zungenschlägen zu beschwichtigen, spiegelten aber nicht mehr die Haltung und den Aufruhr der Versammelten wider.

In den Metropolen, wo die gut eingespielten Netzwerke der rot-grünen Reaktion und ihrer Vorfeldorganisationen als Verlängerung der NATO-/EU-Politik in die „Zivilgesellschaft“ wirken, sieht die Sache häufig noch anders aus. Wer die Entwicklungsstadien eines „heißen Herbstes“ verfolgt, sieht, dass es „die Peripherie“, „das Land und Umland“ ist, wo Bürger gegen diese Regierung am entschlossensten auf die Straße gehen. „Dem Osten“ kommt eine Vorreiter-Rolle zu, aber er steht nicht allein. Es sind Kleinunternehmer, Bäcker, Handwerker, Bauern, Proletarier, auch solche Gruppen wie Biker, die auf die Straße gehen, weil ihre Lebensverhältnisse in der Substanz zerstört werden. Ein Überblick über die Losungen zeigt, dass es gegen die Sanktionspolitik, für die Einschaltung von Nordstream 2, gegen die Inflationspolitik und um die Verteidigung der Produktionssphäre geht. Immer wieder taucht der Ruf auf: „Wir lassen uns nicht spalten!“.

Vielen Demonstrierenden ist auch bewusst, dass das alles nicht erst Ergebnis der neuen Kriegswirtschaft gegen Russland (und China) ist. Dieselbe zerstörerische Politik trat vor der militärischen Sonderoperation Russlands als „Energiewende“, „Defossilisierung“ und „Klimarettung“ auf – mit Abwicklung von Kohlekraftwerken samt Belegschaften, mit Ausplünderung unter dem Vorwand „Klima-Abgaben“, mit schon 2021 explodierenden Energiepreisen. Die Nicht-Inbetriebnahme von Nordstream 2 war Programm der USA-hörigen GRÜNEN lange bevor die Russische Föderation die Donbass-Republiken anerkannte. Dass das jetzt „gegen Putin“, als „Solidarität mit der Ukraine“ auf die Spitze und in die gesellschaftliche Katastrophe getrieben werden kann, ist ein willkommener Vorwand. „Linke“, auch „Friedensbewegte“, machten und machen diese Agenda weitgehend mit. Dadurch haben sie in den Augen breiter Schichten keine Glaubwürdigkeit mehr, wenn sie sich nun als Sachwalter „der sozialen Frage“ empfehlen wollen – zu Recht. Das ändert aber nichts daran, dass die Kernlosungen der jetzigen Proteste objektiv Losungen der Arbeiterbewegung (also „links“) gegen die Macht der Monopole, für den Frieden, für Kooperation mit Russland und China, gegen jede deutsche Kriegsbeteiligung und gegen den Faschismus sind.

Die Frontlinie ist klar und einfach. Aber die Gesamtlage, in der wir nach einer Strategie und Taktik zur Unterstützung der Proteste suchen müssen, ist wie immer kompliziert und oft von Fallstricken durchsetzt.

Wir freuen uns, dass unser Genosse Thomas Loch aus Quedlinburg die Einführung ins Thema übernimmt. Er ist seit über zwei Jahren ein aufmerksamer Beobachter und Teilnehmer von Protesten in seiner Region.

Wir hoffen auf einen Austausch, in den viele Aspekte aus eigenen Erfahrungen der Teilnehmer einfließen können.

Der Landesvorstand der Berliner Freidenker
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 28. September 2022 um 11:27 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Allgemein abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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