„Wir müssen weiterhin für die völlige Loslösung des Denkens aus den Fesseln der Religion eintreten, in bester Tradition Aufklärung betreiben, recht viele Menschen für unsere Ideen gewinnen. Entschieden haben wir gegen Nationalismus und Rassismus, gegen Neofaschismus sowie Terrorismus jeglicher Art anzukämpfen. Aktiv müssen wir gegen Kriege jeder Art, ideologische Kriegsvorbereitung …eintreten. … Wir lehnen Aberglaube, Mystizismus und Obskurantismus ab, aber wir wollen selbständiges Denken fördern, offene Diskussionen, kulturvollen Meinungsstreit.“ So heißt es in der Sonderausgabe 3-2004 unseres Verbandsorgans „Freidenker“, der Dokumentation eines Kolloquiums, mit dem der DFV im Januar 2004 den 60. Jahrestag der Ermordung seines Gründers und langjährigen Vorsitzenden Max Sievers beging. Sievers war am 17. Januar 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden von den Nazis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ mit dem Fallbeil hingerichtet worden.
Der zitierte Text stammt von Gernot Bandur, damals Vorstandsmitglied des Berliner Landesverbands des Deutschen Freidenker-Verbandes, und trägt den Titel: „Freidenker und Sozialist Max Sievers – Eine politische Biografie“. Der am 15. Juni 1934 geborene Gernot Bandur wurde zunächst Lehrer, später Diplom-Historiker und wissenschaftlicher Bibliothekar und hat wohl Zeit seines Lebens über die Bestrebungen linker Politiker gegen den Einfluss der Kirchen im Staat gearbeitet und geforscht. Den Kampf gegen das bis 1911 geltende Verbot der Feuerbestattung, das ursprüngliche Kernziel der Freidenkerbewegung, beschrieb Bandur mit ausführlichen Texten über seine Vorkämpfer Adolph Hoffmann und Max Sievers. Seine Beschäftigung mit Adolph Hoffmann war auch biographisch begründet. Sein Großvater Franz Bandur (1874-1964) gehörte zur revolutionären Volksmarinedivision von 1918 und sein Vater Helmut Bandur (1905-1990) hatte noch selbst in Hoffmanns kleinem Buchladen Schriften gekauft. Seit 1966 arbeitete Bandur mit anderen am „Biographischen Lexikon zur Geschichte der Arbeiterbewegung“, das vom Institut für Marxismus/Leninismus beim ZK der SED herausgegeben wurde und im Dietz Verlag Berlin erschien. Seine Faszination für die Persönlichkeit Hoffmanns hat ihn auch nach der „Wende“ 1989 nie losgelassen. Eine Vorstufe seiner Studien veröffentlichte er 2000 im Selbstverlag unter dem Titel „Adolph Hoffmann – feuriger proletarischer Vulkan“, die gesamte Studie sollte 1989/90 in einer Reihe des Stadtmuseums Halle publiziert werden, wurde aber – wie ihr Autor – ein Opfer der „Wende“.
Zu Veranstaltungen der Berliner Freidenker, die er lange mit seinem großen Wissen und seiner sachlich-ruhigen Art belebt hatte, konnte Gernot Bandur schon länger nicht mehr kommen. Anfang 2019 starb seine Frau, er selbst lebte seit Oktober 2018, gesundheitlich angeschlagen und fast erblindet, zuletzt in einem Seniorenheim, wo er am 17. Dezember 2019 verstarb. Man mag es kaum einen Zufall nennen: Seine Bestattung findet statt am 76. Todestag von Max Sievers, dem 17. Januar 2020 auf dem Bartholomäus-Friedhof in Berlin-Weißensee um 10.15 Uhr. In unseren Köpfen wird er unvergessen bleiben.
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