Anlässlich der Feiern zum 70. Jahrestag der DDR am 7.Oktober 2019 veröffentlichte das OKV eine, inzwischen vergriffene Broschüre, die seinen Mitgliedsverbänden Gelegenheit zur Selbstauskunft gab. Hier folgt der Text der Berliner Freidenker:
Die Verteidigung der Aufklärung ist die Verteidigung der DDR
Seit dem 1. Juni 1991 sind die Freidenker wieder in einem gemeinsamen Deutschen Freidenker-Verband und Landesverbänden in allen Bundesländern vereinigt. Die Freidenker sind ein „Ost-West-Verband“, d.h. wir haben unseren Zusammenschluss 1991 als Kontrastprogramm zu der in anderen Organisationen üblichen „feindlichen Übernahme“ organisiert – verbindlich sind Anerkennung der jeweiligen Geschichte und Identität, Ost-West-Parität bei der Besetzung aller Leitungsfunktionen. Der deutsche Freidenker-Verband ist eine Weltanschauungsgemeinschaft. Wir betrachten Aufklärung als die Hauptaufgabe unserer weltanschaulichen Tätigkeit. Welche Weltanschauung ist gemeint – und was meinen wir mit Aufklärung? Der DFV ist weltanschaulicher Verein auf der Grundlage der sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung. Ohne Partei zu sein, ist unsere Weltanschauung die wissenschaftliche des dialektischen und historischen Materialismus. Das heißt nicht, dass vertiefte Kenntnisse der marxistischen Philosophie die Eintrittsbedingung unseres Verbandes wären! Aber wir halten die Grundfrage der Philosophie für entschieden: im Sinne des Materialismus, gegen den Idealismus. Wir sehen sie als philosophischen Ausdruck der bestehenden Klassenfront: zwischen Bourgeoisie und Arbeiterbewegung, zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Das ist im Imperialismus von heute, 30 Jahre nach der Konterrevolution, wie es zu Zeiten von Marx, Engels und Lenin war. Aber es ist kein Hinderungsgrund, mit allen konsequenten Friedenskräften auch idealistischer oder religiöser Prägung zusammenzugehen. Im engeren Sinne ist der DFV Interessenvertretung der Konfessionslosen und Atheisten. Allerdings sind wir keine Agnostiker. Wir halten die Wirklichkeit für erkennbar, wissenschaftliche Fragen für letztlich entscheidbar. Den Begriff „Aufklärung“ verstehen durchaus wir im Sinne des selbstbestimmten, vorurteilslosen Denkens eines jeden – als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant). So wie die Aufklärung des revolutionären Bürgertums gegen die Fesseln der feudalen Ordnung kämpfte, indem sie sich gegen „Gottgewolltheit“, Mystik, Aberglauben, Autoritätsgläubigkeit und Pfaffentum wandte – für die Freiheit des wissenschaftlichen und weltanschaulichen Denkens – so tun wir dies gegen den heutigen Imperialismus. Wir wenden uns dabei gegen jede Form des Irrationalismus – oder, wie das bei Marx und Engels noch hieß, der Mystifizierung der Verhältnisse. In unserer Berliner Erklärung, beschlossen 1994, umreißen wir unsere Schwerpunkte: „Wofür tritt der DFV ein?“ „Für eine Welt ohne Krieg. Die dringlichste Aufgabe ist die Bannung jeglicher Kriegsgefahr. Krieg und Gewaltanwendung dürfen nicht als Mittel der Politik rehabilitiert werden, sie müssen international geächtet werden. Der DFV wendet sich gegen jede Form innerer und äußerer Kriegsvorbereitung, sei sie ökonomischer, politischer, militärischer oder ideologischer Art.“ „Für Freiheit und Gleichberechtigung aller Menschen. Fremdbestimmung, Ausbeutung und Unterdrückung sind mit menschenwürdigen Verhältnissen unvereinbar.“ „Damit die auf Grundlage der Naturbeherrschung entwickelten Produktivkräfte nicht zu Destruktivkräften werden, die den Untergang der Menschheit heraufbeschwören, müssen die Menschen auch die Entwicklungsgesetze der Gesellschaft erlernen und beherrschen, um die Fähigkeit zur gesellschaftlichen Selbstbeherrschung zu erlangen.“ „Für die Trennung von Staat und Kirche, Kirche und Schule sowie den Dialog mit religiösen Menschen. Der DFV vertritt traditionell die Interessen konfessionsfreier Menschen.“ Und: „Darum betrachten wir Antifaschismus als Schlüssel für das Öffnen und Offenhalten einer menschlichen Zukunft. Dafür haben Freidenkerinnen und Freidenker ihr Leben eingesetzt.“ Unsere Arbeit gegen imperialistische Kriege, für das Völkerrecht, ist bekanntlich heute auch mit der von DFV und Arbeiterfotografie initiierten Kampagne „Raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland“ verbunden. Als Materialisten wissen wir, dass das Verhältnis zwischen US- und BRD-Imperialismus ein dialektisches ist: Kampf und Einheit der Gegensätze. Das betrifft auch das Verhältnis zur NATO und EU, sowie der durch beide ungeheuer gesteigerten Aggressivität insbesondere gegen Rußland. Die Friedenspolitik findet in uns eine konsequente Kraft, seit es galt, den Widerstand gegen den NATO-Krieg gegen Jugoslawien mitzuorganisieren. Dieser völkerrrechtswidrige Überfall mit deutscher Beteiligung ist in mehrfacher Hinsicht ein Wendepunkt. Nicht nur wurden hier die einst aus den westdeutschen „68ern“ und ihrem damaligen Protest gegen den Vietnamkrieg hervorgegangenen Neu-Eliten zur propagandistischen Speerspitze der imperialistischen Kriegstreibereri. Nicht nur gewannen sie Teile des Hinterlandes mit der perfidesten Begründung, nämlich der Pervertierung des Antifaschismus zur Losung, dieser Krieg müsse „wegen Auschwitz“ geführt werden. Sondern dieser Durchbruch zur Reaktion auf ganzer Linie läßt sich nur begreifen als Moment jenes anderen Wendepunkts: Der Liquidierung und Annexion der DDR. Die Zerstörung und Enteignung der DDR – der größten antifaschistischen Friedensbewegung auf deutschem Boden – dürfte das einzige Ereignis der deutschen Nachkriegsgeschichte seit, für das die Bezeichnung „Rechtsruck“ im vollen Sinne zutrifft. Alles weitere seither ist Entfaltung der Konterrevolution, gegen die auch wir Freidenker uns stellen. Erst dieser ungeheure „Rechtstruck“ ermöglichte es dem deutschen Imperialismus, eingebunden in die Hebelkraft der NATO und den Kräfteverhältnissen seit der bedingungslosen Kapitulation Rechnung tragend, die alten Kriegsziele des alldeutschen Verbandes wieder in die strategische Diskussion zu bringen – aber diesmal unter libertär-kosmopolitscher Maske. Seither folgt an der imperialistischen Weltfront ein arrangierter „Gleiwitz-Vorfall“ dem andern. Das, was die KPD der 1920er Jahre schon die „Hugenbergsche Lügenpresse“ nannte, hat sich zu einer vierten Gewalt der Vernebelung und Rundum-Propaganda perfektioniert – auch des Chauvinismus, z.B. gegen Griechen und Slawen, und immer wieder, Tag und Nacht, gegen die DDR und ihre Bürger. Das verlangt wachsamste Aufklärungsarbeit, der wir Freidenker, wenn auch mit begrenzten Kräften, verpflichtet sind. Viele, die der „humanistisch“ maskierten Kriegstreiberei vor 20 Jahren noch Glauben schenkten, erfahren heute scharf: Das Wort „Frieden“ hat in der deutschen Sprache zwei Bedeutungen. Die erste: Im Frieden alles tun, um im Frieden den Krieg zu verhindern. Das war der Friede der DDR. Die zweite: Im Frieden alles anzuwenden, was man aus den vorigen Versuchen gelernt hat, um im Frieden den Krieg vorzubereiten. Das ist der „Frieden“ der BRD. Wir Freidenker möchten, dass die, die das begriffen haben, mehr werden.
Der DFV gäbe was drum, wenn echter Antifaschismus heute wieder „verordnet“ wäre; womit ja nichts anderes gesagt ist, als dass er zur Staatsräson, zur Schulbildung, Justiz und Kultur eines demokratischen Gemeinwesens unveräußerlich dazugehört. Genau das war in der DDR der Fall. Was von der Sieger- und Besatzungsmacht hingegen verordnet wird – Propaganda für das Völkergefängnis EU und die mit der faschisierenden Tendenz zuinnerst verbundene NATO-Kriegspolitik unter einem pseudo-antifaschistischen Aushängeschild „gegen rechts“: das erfordert unser aller Anstrengung im Sinne eines Schwerpunktes, der für uns Freidenker von besonderer Bedeutung ist: Die Richtigstellung der Begriffe. Dafür wirken wir weiter, gemäß den Worten von Brechts Galilei: „Es setzt sich nur soviel Wahrheit durch, wie wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.“
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