In der offiziellen Version zum Absturz der malaysischen Boeing 777 mit der Flugnummer MH17 am 17. Juli 2014 über der Ostukraine gibt es Fehler und Auslassungen. Darauf haben am Dienstag in Berlin der niederländische Politikwissenschaftler Kees van der Pijl und der niederländische Filmemacher Max van der Werff hingewiesen. Der Politologe stellte sein 2018 auf Deutsch erschienenes Buch „Der Abschuss – Flug MH17, die Ukraine und der neue Kalte Krieg“ vor. Van der Werff zeigte den neuen Dokumentarfilm „MH17 – Call for Justice“.
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Beide berichteten von einer „Betonmauer des Schweigens“ in den Niederlanden in Bezug auf die MH17-Katastrophe. Die offizielle Version, wie sie das niederländisch geführte internationale Ermittlerteam JIT (Joint Investigative Team) verbreitet und wonach ostukrainische Rebellen mit einer russischen Buk-Rakete das Flugzeug abgeschossen haben sollen, werde nicht in Frage gestellt. Wer das tue, werde ignoriert, wie van der Pijl aus eigenem Erleben berichtete.
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Prof. Kees van der Pijl aus den Niederlanden
In seinem Buch stellt der Politikwissenschaftler die Katastrophe in der Ostukraine mit 298 Todesopfern in globale Zusammenhänge. Dazu gehört für ihn die zusammengebrochene Weltordnung nach dem Untergang der Sowjetunion 1991, wie er in Berlin erklärte. Ebenso zählt er den Versuch der russischen Führung unter Präsident Wladimir Putin, die Souveränität und die Interessen des Landes zu verteidigen, dazu. Das stehe den Interessen der führenden Kreise im Westen entgegen.
„Offizielle Version stimmt nicht“
Aus der Sicht von van der Pijl ist dabei ebenso die Einkreisung Russlands durch den Westen und die Nato zu beachten, einschließlich des Staatsstreiches im Februar 2014 in Kiew. Zudem hätten die führenden westlichen Kreise versucht, die Einheit der Nato zu sichern. Dazu sei das neue Feindbild Russland aufgebaut worden, auch mit Hilfe der MH17-Katastrophe. Bei deren Untersuchung würden durch das JIT wichtige Faktoren ausgelassen, so die Rolle ultrarechter Kräfte in der Ukraine. Bei den Pressekonferenzen des internationalen Ermittler-Teams würde immer ein Vertreter des ukrainischen Geheimdienstes SBU dabei sein, wunderte sich der Politologe.
„Wir machen in unserem Film keine Behauptungen, wer Schuld hat oder welche Waffe eingesetzt wurde“, erklärte Filmemacher van der Werff auf der Veranstaltung in Berlin. „Wir haben uns darauf beschränkt, zu zeigen, was an der offiziellen Version nicht stimmen kann.“ Nach der Veranstaltung, zu der die „Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg“ mit anderen Organisationen eingeladen hatten, hat van der Werff sich zu dem Film geäußert:
Herr van der Werff, Sie haben einen Film produziert zum Thema Flug MH17, der vor fünf Jahren über der Ostukraine abgestürzt ist. Mit wem haben Sie den gemacht und was sind die Aussagen des Filmes“ Welche neuen Erkenntnisse zeigen Sie?
Die Regisseurin ist Jana Jerlaschowa, eine russische Journalistin und Filmemacherin. Mit ihr und mit einem ganz großen Team, mit Leuten, die uns ganz viele Informationen gegeben haben, haben wir den Film gemacht. Unserer Meinung nach musste der Film hergestellt werden, weil es einfach zu viele Fragen gibt, die nicht in die offizielle Version zu dem passen, was damals mit der Boeing aus Malaysia passiert ist.
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Filmemacher Max van der Werff aus den Niederlanden und Jana Jerlaschowa aus Russland, Regisseurin
Rein publizistisch – von der Propaganda her – ist die Sache schon gelaufen. Im Westen und in Holland wissen angeblich schon alle, was passiert ist. Es muss nur noch eine offizielle Verurteilung Russlands geben und dann ist die Sache ganz durch. Aber das ganze Gerichtsverfahren muss ja erst noch anfangen. Seit fünf Jahren wurden wir mit Propaganda überflutet: „Es waren die Russen! Es waren die Russen!“. Ob das wahr ist oder nicht – ich habe in den letzten fünf Jahren keine ausschlaggebenden Beweise gesehen oder gehört. Ich habe nur gehört: „Die Beweise kommen später. Wir können nicht alles herausgeben, was wir wissen.“ Das kann auch verständlich sein. Aber ich gehe davon aus, wenn ich die Beweise nicht gesehen habe, dann glaube ich das nicht.
Die Beweise, die ich gesehen habe, habe ich an Ort und Stelle im Donbass überprüft. Auf meiner Website http://kremlintroll.nl/ habe ich ganz viele Artikel dazu geschrieben. Jeden Ort, den das JIT (Joint Investigative Team – internationales Ermittlerteam zu MH17) in der Pressekonferenz von September 2016 gemeldet hat, habe ich nachgeprüft. Das stimmt einfach nicht, was da alles gesagt wird. Da sind Bilder und Geschichten anonymisiert. Da stehen keine Meta-Daten zur Verfügung. Also: Ich habe mehr Fragen als Antworten.
Welche Fragen stellen Sie in dem Film? An welchen Punkten stellen Sie die offizielle Version in Frage?
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Die Telefonate der ostukrainischen Rebellen, die von der SBU, dem ukrainischen Geheimdienst, abgehört wurden, werden im Gerichtsverfahren eine ganz wichtige Rolle spielen. Das Investigative JIT behauptet, das seien originale Telefonate. Die seien nicht verändert worden, usw. Wir weisen nach: Als die Wrackteile von der Boeing noch brannten, hat bereits ein paar Stunden später der ukrainische Geheimdienst gefälschte Aufnahmen ins Netz gestellt. Wir haben Profis aus Malaysia gebeten, das zu untersuchen. Da haben wir einen 143-seitigen Report erhalten, den wir auch veröffentlichen werden.Man muss sich vorstellen: Wer unschuldig ist, der braucht keine Beweise zu fälschen. Also das wirft so viele Fragen auf. Wilbert Paulissen, Chef der Polizei in Holland, sagte über die russischen Radardaten, dort sei keine Buk sichtbar. Er hatte gesagt: „Absence of evidence is no evidence of absence.” (deutsch: „Die Abwesenheit von Beweisen ist kein Beweis für ein generelles Fehlen von Beweisen.“) Das heißt, wenn da keine Buk war auf dem Radarschirm, dann war die Buk vielleicht doch da.
Wir sagen jetzt, dass wir rein wissenschaftlich nachgewiesen haben, dass die Ukraine gefälschte Aufnahmen ins Netz gesetzt hat, um die Rebellen als Schuldige darzustellen. Wenn die jetzt behaupten, wir haben andere Aufnahmen, die sind nicht gefälscht, dann sagen wir: „Ihr habt jahrelang Zeit gehabt, die Berichte zu fälschen.“ Wenn da keine Fälschung nachgewiesen werden kann, ist vielleicht trotzdem eine Fälschung gemacht worden.
Sie waren auch in Malaysia und haben mit offiziellen Vertretern Malaysias gesprochen. Was waren da die Grundaussagen?
Ich selbst war nicht in Malaysia, sondern Jana. Aber die ausschlaggebende Erklärung war die des malaysischen Premiers, der gesagt hat: Die haben einfach die Untersuchung ohne uns angefangen. Die haben gar nicht auf uns gehört. Er sagt, er habe bis heute keine überzeugenden Beweise für die russische Schuld gesehen. Vielleicht lügt er oder er spricht die Wahrheit. Die Holländer behaupten: Der wolle nur Rabatte haben auf russische Kampfflugzeuge, er sei Antisemit und sagt, 9/11 sei ein „Inside Job“ und Malaysia sei nicht neutral, es sei in der Tasche von Russland.
Man kann aber auch sagen: Malaysia ist das einzige Land im JIT, das nicht an die USA gebunden ist. Die anderen Länder wie Holland, Belgien, Australien, Ukraine – da haben die USA das Sagen und nicht die Länder selber. Die sind alle nicht unabhängig. Nur Malaysia, das kann man sagen, ist ein unabhängiges Land. Dann ist es schon sehr brutal, dem Land vorzuwerfen, dass man das JIT nicht unterstützt. Ich muss aber auch sagen, dass Malaysia inkonsequent ist: Offiziell sagen sie, man sei im JIT und damit einverstanden, was die alle sagen. Aber der Premier hat das jetzt einfach vom Tisch gefegt. Das muss sich in den nächsten Monaten klären.
Haben Sie versucht, mit den Vertretern der offiziellen Untersuchung des JIT Kontakt aufzunehmen und Statements zu bekommen?
Ja. Ich habe mehrfach E-Mails geschrieben. Regelmäßig schreibe ich E-Mails. Ich habe auch wegen unserem Dokumentarfilm ganz spezifisch für ein Interview angefragt. Da sagte man mir, der Herr Westerbeke gibt im Moment keine Interviews. Dann habe ich nachgefragt. Die Antwort der Sprecherin war, er gebe keine Interviews. Dann habe ich gesagt, er hat doch auch ein Interview mit „Nowaja Gaseta“ gemacht. Dann hat sie geschrieben: „Ich habe doch schon gesagt: Keine Interviews.“ Das stimmt zwar nicht, aber er macht keine Interviews mit uns. Das habe ich dann schon registriert.
Im Film sind Aufnahmen zu sehen, wo Sie im Donbass sind, im Gebiet um die ehemalige Absturzstelle, wo Sie tatsächlich immer noch Flugzeugteile gefunden haben. Ist das tatsächlich so?
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Es ist tatsächlich so. Der Rahmen, der in den letzten Sekunden des Films zu sehen ist, das ist ein ganz großes, schweres Teil. Das ist ein Teil des Ladebodens. Das große Teil, was man sieht, was wir da zur Bürgermeisterin bringen, das ist sogar auf Satellitenbildern sichtbar. Das wurde schon von anderen gefunden. Wir haben das an der offiziellen Absatz-Stelle abgegeben.Gibt es eine Erklärung dafür, dass immer noch so große Teile zu finden sind? Wo doch schon eine Rekonstruktion der Reste in Holland gemacht und gezeigt worden ist. Und trotzdem gibt es immer noch so viele und große Teile vom Flugzeug im Absturzgebiet.
Das ist eines der Mysterien. Ich habe sehr viel gelesen über andere Air-Crash-Investigations (deutsch: Flugabsturz-Untersuchungen). Man versucht immer alle Flugzeugteile zu bekommen und eine Rekonstruktion so komplett wie möglich zu machen. Damit kann man auch ausschließen, dass vielleicht noch an anderer Ort und Stelle auch etwas passiert ist. Aber die Holländer haben nach vier Monaten Teile des Flugzeugs mitgenommen und haben dann sehr schnell gesagt: „Mehr brauchen wir eigentlich nicht. Wir wissen schon, was passiert ist.“ Das hat mich immer sehr gewundert. Später sind sie noch mal hingegangen und haben sich noch Teile abgeholt. Aber sie haben prinzipiell nicht gesagt: „Jedes Teil vor Ort wollen wir haben.“
Sie haben für den Film auch mit Menschen vor Ort gesprochen, die das damalige Geschehen gesehen haben. Da wird von Kampfflugzeugen gesprochen. Wie ist das zu bewerten?
100-prozentig waren Kampfflugzeuge am 17. Juli 2014 in der Luft. Es gibt so viele Zeugen. Die haben teilweise auch genau die gleichen Aussagen gemacht, in welche Richtung die Flugzeuge wieder weggeflogen sind. Das war von Anfang an so. Da haben sich die Leute gemeldet. Die können nicht alle lügen, das ist einfach unmöglich. Ich habe andere Untersuchungen gemacht und weiß, wann Zeugen nicht zu trauen ist und wann sie die Wahrheit sagen.
Einer, der nicht im Dokumentarfilm ist, hat gesagt, er sei bereit, einen Polygraphen-Test zu machen. Teilweise kann man sich vielleicht an bestimmte Sachen nicht richtig erinnern oder an Dinge, die nicht stattgefunden haben. Aber wenn Bruchteile von Flugzeugen in den Garten fallen und gleichzeitig sieht man eine silberne Kriegsmaschine herumfliegen – so etwas vergisst man nicht. Man sieht die Boeing abstürzen. Ich glaube nicht, dass man so etwas vergessen kann. Aber diese Zeugen sind nie gehört worden.
Sie stellen nachweislich die offizielle Version in Frage, haben dafür auch Belege. Haben Sie Ihre Theorie? Sagen Sie im Film, was die richtige Erklärung wäre?
Nein. Wir sind nicht imstande nachzuvollziehen, was passiert ist. Unser Auftrag, den wir uns selber gestellt haben: Wir versuchen abzuchecken, was an der offiziellen Version stimmt oder gar nicht stimmt. Darauf haben wir uns beschränkt. Seit fünf Jahren bin ich im Internet als „Kreml-Troll“ berüchtigt, als Russlands nützlicher Idiot, „Putin-Versteher“ und „Truther“. Ich werde angeblich bezahlt vom Kreml und so. Ich habe mich daran gewöhnt. Es wird auch gesagt, ich sei so dumm, weil ich meine, es sei eine „False Flag“ (dt.: „Falsche Flagge“) gewesen. Also, mit so einem Idioten wollen die richtigen Untersucher nichts zu tun haben.Das ist alles gar nicht wahr. Ich zweifle nur die offizielle Version an. Das ist schon genug Grund, mich in Sozialen Medien als Idiot zu bezeichnen und mir abzusprechen, dass ich versuche herauszufinden, was los ist. Ich habe andere Interessen.
Wo wird der Film zu sehen sein?
Er wird ab dem 17. Juli im Internet verfügbar sein, auf unserem Bonanzamedia-Kanal. Man kann ihn auf Youtube sehen. Ich denke, das wird sich ganz schnell herumsprechen. Wir suchen für die russische Version noch einen Partner und auch für die deutsche Version sind wir noch dabei.