Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Beschränkung des Spielraums der Kirchen im Arbeitsrecht

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Von Klaus von Raussendorff

 

Erster Fall: Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung hatte 2012 der konfessionslosen Sozialpädagogin Vera Egenberger verweigert, sich um eine auf zwei Jahre befristete Stelle zu bewerben, bei der es darum ging, einen Bericht zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention in Deutschland zu schreiben. Die Berlinerin klagte wegen Diskriminierung auf eine Entschädigung von rund 9800 Euro. Das Arbeitsgericht Berlin sprach ihr eine Entschädigung zu. Aber die nächste Instanz, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, hob das Urteil auf, ließ allerdings eine Revision zu. Die Klägerin zog vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Dieses rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg an. Der fällte im April 2018 ein Urteil zugunsten der Klägerin. Abschließend gab das Bundesarbeitsgericht der Klägerin Recht.

Konfessionszugehörigkeit darf nicht bei jedem kirchlichen Job verlangt werden

Während bisher das Bundesverfassungsgericht (BVfG) den Kirchen im Arbeitsrecht einen großen Spielraum eingeräumt hat, fordert nun der Europäische Gerichtshof eine stärkere Kontrolle der Einstellungspraxis. Mit dem Urteil im Fall Egenberger vom April 2018 wenden sich die Luxemburger Richter entschieden gegen die Karlsruher Position. Die Frage, ob Kirchentreue für einen bestimmten Job wirklich notwendig ist, soll der vollen Überprüfung durch staatliche Gerichte unterworfen werden. Die Religion muss eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung für die jeweilige berufliche Tätigkeit darstellen. Diesen Vorgaben ist das Bundesarbeitsgericht nun nachgekommen. Der Bewerberin eine Kirchenzugehörigkeit abzuverlangen, sei im konkreten Fall nicht gerechtfertigt gewesen, weil keinerlei „wahrscheinliche und erhebliche Gefahr“ für das Ethos der Kirche bestanden habe. Denn ein Referent der Diakonie ist in einen internen Meinungsbildungsprozess eingebunden, er kann nicht unabhängig handeln. Das gehe aus der Stellenbeschreibung hervor. (Nach Süddeutsche Zeitung vom 25. Oktober 2018; https://www.sueddeutsche.de/karriere/konfession-der-angestellten-bundesarbeitsgericht-zwingt-kirchen-zur-oeffnung-1.4185645 )

 

Zweiter Fall: Ein katholisches Krankenhaus in Düsseldorf hatte einen Chefarzt entlassen, weil dieser nach einer Scheidung zum zweiten Mal geheiratet hatte. Er war selbst Mitglied der katholischen Kirche und nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre einzuhalten. Als der verheiratete Chefarzt sich Ende 2005 von seiner Ehefrau trennte und kurze Zeit später mit seiner neuen Partnerin zusammenzog, hatte die katholische Klinik dies noch geduldet. Als das Paar jedoch 2008 standesamtlich heiratete, folgte die Kündigung. Hintergrund ist der nach katholischem Verständnis unauflösliche Charakter der Ehe.

Mit seiner Wiederheirat habe der Arzt gegen die auch in seinem Arbeitsvertrag verankerten kirchlichen Grundsätze verstoßen. Hiergegen klagte der Chefarzt und machte einen Gleichheitsverstoß geltend. Denn das katholische Krankenhaus habe bei evangelischen oder konfessionslosen Chefärzten eine Scheidung und eine anschließende Wiederheirat hingenommen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt war dem zunächst 2011 gefolgt. Das Bundesverfassungsgericht hatte dieses Urteil jedoch 2014 aufgehoben; die katholische Kirche habe das Recht, ihre eigenen Mitglieder schärfer zu sanktionieren als Nichtmitglieder.

Die Einhaltung katholischer Moralvorschriften darf nur verlangt werden, wenn dies für die konkrete Tätigkeit „wesentlich und gerechtfertigt“ ist

Im zweiten Durchlauf legte das BAG 2016 dem EuGH die Frage vor, ob die Ungleichbehandlung in der Klinik gegen das EU-rechtliche Gleichheitsgebot verstößt. Nach dem Luxemburger Urteil vom September 2018 ist dies möglich, abschließend soll jedoch das BAG entscheiden. In seiner Entscheidung betonte der EuGH, dass kirchliche Arbeitgeber die Einhaltung kirchlicher Glaubensgrundsätze nur dann verlangen dürfen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit „wesentlich und gerechtfertigt“ ist. Daran bestünden hier erhebliche Zweifel. Konkret gehe es hier um den kirchlichen Grundsatz der unauflöslichen Ehe.

Es scheine schon fraglich, ob gerade dieser Grundsatz bei der Beratung und Behandlung der Patienten eine Rolle spiele, die seine Einhaltung notwendig machen, argumentierte der EuGH. Dies werde hier durch den Umstand bestärkt, dass die Klinik vergleichbare Posten an Ärzte vergeben hat, die nicht katholisch sind und an die entsprechende Loyalitätsanforderungen auch nicht gestellt wurden. Eine solche Ungleichbehandlung in Führungspositionen sei aber nur dann zulässig, wenn die Tätigkeiten sich so unterscheiden, dass dies eine Differenzierung rechtfertigt….Nach diesen Maßgaben soll nun wieder das BAG entscheiden“

Für den Fall, dass das BAG die Kündigung für unwirksam erklärt, kündigte die Deutsche Bischofskonferenz bereits eine Prüfung an, „ob die Entscheidungen mit den Vorgaben des Grundgesetzes in Einklang stehen“. Die Klinik könnte erneut das Bundesverfassungsgericht anrufen. Dies käme dann in eine schwierige Lage und müsste entscheiden, ob es mit Blick auf seinen Beschluss aus 2014 auf Konfrontation mit dem EuGH geht. Bislang hat es dies immer vermieden und dabei den Vorrang des EU-Rechts anerkannt, solange dies nicht in den Kernbereich der Grundrechte eingreift. (Nach Ärzte Zeitung online vom 11. September 2018 https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/article/971271/konfessionelle-kliniken-chefarzt-urteil-des-eugh-weckt-widerspruch-bischoefe.html)

 

Weitreichende Auswirkungen

Bei kirchlichen Einrichtungen werden jedes Jahr tausende Stellen ausgeschrieben. Diakonie und Caritas beschäftigen mehr als eine Million Menschen in Deutschland. Künftig können die Gerichte bei der Jobvergabe ins Spiel kommen, wenn sie wegen Diskriminierung aus religiösen Gründen bei Arbeitsstellen angerufen werden, die mit dem religiösen Kernauftrag der Kirche nichts zu tun haben.

Klaus von Raussendorff, Bonn, ist Mitarbeiter des Verbandsvorstandes
des Deutschen Freidenker-Verbandes

 

Aus den Freidenker-Forderungen zur Trennung von Staat und Kirche:

  • Alle steuerrechtlichen und sonstigen Bestimmungen, die zur Privilegierung oder Ungleichbehandlung der Mitlieder von Kirchen, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften führen, sind aufzuheben.
  • In kirchlichen Einrichtungen muss das allgemeine Arbeits- und Tarifrecht sowie das Personalvertretungsrecht uneingeschränkt gelten.
  • Die öffentliche Hand muss flächendeckend eine ausreichende Zahl von weltanschaulich-bekenntnismäßig neutralen Sozialeinrichtungen anbieten. Der freie Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung in sozialen und erzieherischen Berufen ist auch für konfessionsfreie Menschen zu gewährleisten.

(Berliner Erklärung, 1994)

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 06. November 2018 um 14:20 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Allgemein abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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