Der folgende Beitrag erschien zuerst auf opablog. Er gehört aber sehr wohl auch hierher, denn er führt einen wichtigen Gedanken aus unserem Offenen Brief fort.
Transparenz und transparency sind zwei Paar Schuhe.
Transparenz brauchen wir, wie die Luft zum atmen.
Wir wollen von unserer Sache überzeugen? Also müssen die Menschen unsere Sache rundherum beäugen dürfen. Wir wollen mit unseren Vereinen und Organisationen überzeugen? Also müssen die Menschen unsere Vereine und Organisationen auf Herz und Nieren prüfen dürfen. Und zwar, BEVOR sie sich dafür entschieden haben.
Wie willst du etwas prüfen, wenn du nicht hineinschauen darfst?
Für Lenin war das völlig klar: „Nach unseren Begriffen ist es die Bewußtheit der Massen, die den Staat stark macht. Er ist dann stark, wenn die Massen alles wissen, über alles urteilen können und alles bewußt tun.“ (8. November 1917, „Schlusswort zur Rede über den Frieden“, Werke, Band 26, Berlin 1961, S.246)
Mit der Privatisierung der Informationen fing alles an – Verzögern, Verschweigen, Halbwahrheiten – Stalin, bereits 1923. Die Privatisierung der Macht brauchte viele mühsame Schritte und harte Schnitte in Lenins Land der großen Revolution. Aber 1938 war sie vollendet. Die Privatisierung der Ökonomie war der letzte Stein aus dem Fundament. Auch er leider folgerichtig. Im Jahr 1991 war beendet, was 1923/24 begann.
Es war nicht nur Ironie der Geschichte, dass der Untergang von der Phrase „Glasnost“ (= „Transparenz“) begleitet wurde. Ein letztes Mal wurde mit dem Sehnen der Menschen gespielt. Als ob ein Führer (noch dazu ein überforderter) Glasnost verordnen könnte!
Transparenz entsteht einzig und allein dadurch, dass die Menschen auf der untersten Ebene offen zueinander sind, dass sie voreinander nichts zu verbergen haben und dass sie ihre Genossinnen und Genossen, die zeitweilig nicht auf der untersten Ebene sind (weil mensch sie zeitweilig zu Vorsitzenden/FührerInnen machte) zu genau derselben Offenheit zwingen.
An dieser Stelle kommt der „sicherheitsbewusste“ Einwand: „Um Gottes Willen! Damit liefern wir doch den Geheimdiensten alles auf dem Präsentierteller!“ Ja, so lebensfremd, geradezu „entwirklicht von heutiger Zeit“, denken Apparatschiks.
Eingeräumt sei, dass es zufälliges Internes geben kann, dass es nicht Wert ist, ausposaunt zu werden. Präziser ist also: Alles WESENTLICHE gehört auf den öffentlichen Platz. Und: Was wesentlich ist, bestimmt nicht primär der Informationsgeber, sondern derjenige, der die Information verlangt.
Die nächste Frage ist, wie Transparenz zweckmäßig zu organisieren ist. Hier kommt transparency ins Spiel. – Diskussion ist erwünscht, wie es auch in unserem Offenen Brief heißt: „Die noch zu wenig bekannten Orientierungen der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ betrachten wir dabei als DISKUSSIONSWÜRDIG und hilfreich.“ (Großbuchstaben von mir).
„Transparency International e. V.“ (TI) ist ein Dachverband vieler nationaler TI-Abteilungen, hier TI deutsch. Der Verein wird finanziert durch bürgerliche Regierungen und großkapitalistische Unternehmen. TI ist eine Institution, die im modernen Imperialismus existiert und spezifische Funktionen im Klassenkampf erfüllt, eine, die sicher auch von den Geheimdiensten abgeschöpft oder sonstwie genutzt wird, kurz, eine moderne internationale Organisation, wie wir sie täglich kennen und benutzen – Google, Facebook, Twitter, Amazon, ebay, Wikipedia, youtube usw. usf.
Ich versteife mich nicht darauf, unbedingt diese zwielichtigen Einrichtungen zu benutzen. Es soll andere geben (die ich aber nicht kenne). Falls wir uns für andere entscheiden, bleibt dennoch das kleine Problem, dass die Masse der Internetnutzer weiterhin gerade diese US-amerikanischen Monsterunternehmen bevorzugt.
Ich versteife mich auch nicht auf die 10 Kriterien, die in der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ (ITZ) formuliert sind. Sicher gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Zweifellos aber haben die 10 Punkte den Vorzug, dass sie komplett auf vorhandene Informationen der Vereine zurückgreifen (z. B. Meldepflichten ans Vereinsregister und an die Finanzämter), von den Vereinen also kaum zusätzliche Arbeit verlangen.
Und diese Informationen haben durchaus eine erfreuliche Aussagekraft – freilich nur für die Menschen, die sich die Mühe des Lesens machen. So schaue mensch sich z. B. einmal die Vereinssatzung von „Campact“ genau an. (Die Information übrigens, dass Campact an der ITZ teilnimmt, ist auf der Webseite schwer zu finden – und verletzt damit eine der Regeln von ITZ.) Oder mensch schaue auf die Finanzen und die SpenderInnen von Transparency international Deutschland.
Mensch mag sich über dieses Maß an Offenheit wundern. Ich meine, dass wir hier einen neuartigen offensiven Umgang mit Daten erleben, der diesen Organisationen zweifellos NICHT schadet. Reichlich Denkfutter!
Erwähnt sei noch, dass recht enge Wechselbeziehungen zwischen TI und CORRECTIV bestehen. Von CORRECTIV – ebenfalls Mitglied bei ITZ – ist ja gegenwärtig im Zusammenhang mit modernen Zensurabsichten (siehe etwa hier) viel die Rede. Mensch sollte die angebotenen Informationen zur Kenntnis nehmen. Die Brost-Stiftung übrigens, Hauptgeldgeber von CORREKTIV, gehört der ITZ NICHT an. Wie dem auch sei: CORREKTIV hat Substanz, zunehmend Substanz, und wird uns noch viel beschäftigen. Hier eine sehr qualifizierte Arbeit eines Journalisten von CORREKTIV.
Können wir uns derartige Offenheit leisten? Wird nicht unsere ganze derzeitige Schwäche sichtbar?
Ich greife noch einmal auf Lenin zurück. Nach dem oben zitierten Satz, geht es so weiter: „Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten, die Wahrheit über die Erschöpfung zu sagen, denn welcher Staat ist jetzt nicht erschöpft, welches Volk spricht nicht offen darüber?… Ist etwa nicht die Erschöpfung die Ursache des Aufstands in der deutschen Flotte, den der Henker Wilhelm und seine Handlanger so schonungslos unterdrückt haben? Wenn solche Erscheinungen in einem so disziplinierten Land wie Deutschland möglich sind; wo man von der Erschöpfung, von der Beendigung des Krieges zu reden anfängt, so brauchen wir keine Scheu davor zu haben, ebenfalls offen davon zu sprechen, denn das ist die Wahrheit,…“
« Wahrlich mehr als ein Wort zum Sonntag #40 – Viel Spaß! – Appell der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki unterstützen! »
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Dem Autor stimme ich zu. Wenn wir in Würde und Frieden leben wollen, müssen wir um die Veränderung der Welt ringen. Meinungen sind natürlich zu achten, doch gegenwärtig und seit langem sind die Meinungen nicht auf diese Entwicklung eingestellt. Frei nach Marx: „Die Meinenden haben die Welt nur verschieden, interpretiert. Es kömmt drauf an, sie zu verändern.“ (11. Feuerbachthese). Da liegt das Problem, das wir zu bewältigen haben. Ich wäre schon froh, wenn die LiPa dabei hülfe. Das habe ich auch in einigen Büchern verständlich zu machen versucht. Als Denker und als Freund der Weltveränderung bin ich oft bestraft worden. Auch heute bin ich einsam unter den Linken, während ich unter den sog. „einfachen Menschen“ zu wirken versuche und mich trainiere, ihnen verständlich zu sprechen. Was denken die Freidenker dazu? Meine Meinung ist ausführlicher dargestellt in http://www.rainer-thiel.de Brüderlichen Gruß Rainer Thiel
Kommentar: Rainer Thiel – 29. Januar 2017 @ 22:11
Transparenz hin und Transparenz her, so wichtig sie auch ist, muss wirklich auf jeden Haken gesprungen werden, nur weil er schön glänzt? Dem offenen Brief ist zuzustimmen, treffend formuliert, interessante und aktuelle Auseinandersetzung, bis auf den letzten Punkt, die diskussionswürdige Organisation betreffend.
Erinnert sei auch daran, dass das Bemühen von Autoritäten zwar zweckmäßig ist und Aussagen so untermauert werden können, allerdings sollten die Bezüge auch epochal inhaltlich stimmen. Wann und in welchem Zusammenhang wurde zitierte Aussage gemacht, welcher Bezug wird hergestellt und was ist eigentlich Klassenkampf?
Eines der gebräuchlichsten und am häufigsten missbrauchten Zitate ist: „die Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden“, von Rosa Luxemburg, dabei wird der Kontext in der Zeit nicht berücksichtigt. Ähnlich mit den Zitaten von Lenin im Text, entnommen dem „Schlusswort zur Rede über den Frieden 26. Oktober (8. November)“, also während der Oktoberrevolution und vor Einsetzung einer Regierung durch den zweiten gesamtrussischen Kongress der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten. Und so ist auf Seite 237 zu lesen: „Der Kongress beschließt: Die ganze Macht geht allerorts an die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten über, die eine wirkliche revolutionäre Ordnung zu gewährleisten haben.“ Was letztlich nichts anderes bedeutet, dass zu diesem Zwecke ein neuer Staat aufzubauen ist! Die Revolution galt es zu sichern und dazu gehörte nicht nur die Verteidigung gegenüber den Truppen, welche auf Petrograd marschierten, sondern auch die materiellen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Es ging also darum eine neue Regierung aufzubauen, eine neue Staatsform zu schaffen und den Krieg zu beenden und gerade im Schlusswort geht es um das „Dekret über den Frieden“ und dessen Umsetzung.
In diesem Zusammenhang wird aber auch ein entscheidender Unterschied zwischen den neu zu errichtenden Staat und dem bürgerlichen Staatswesen aufgezeigt, wenn zu lesen ist: „Nach bürgerlichen Begriffen kann dann von Stärke gesprochen werden, wenn die Massen den Befehlen der imperialistischen Regierungen gehorchen und blindlings zur Schlachtbank gehen. Die Bourgeoisie hält nur dann einen Staat für stark, wenn er mit der ganzen Macht des Regierungsapparates die Massen dorthin zu dirigieren vermag, wohin es die bürgerlichen Machthaber wollen. Unser Begriff von Stärke ist ein anderer. Nach unseren Begriffen ist es die Bewusstheit der Massen, die den Staat stark macht. Er ist dann stark, wenn die Massen alles wissen, über alles urteilen können und alles bewusst tun.“
Lenin zu nehmen, ein Zitat zu nehmen, den Zusammenhang negieren, ist sicher möglich, im Gesamtzusammenhang, unter Berücksichtigung der konkret historischen Situation allerdings, wird sichtbar um was es eigentlich geht, nämlich um Offenheit des Staates gegenüber der Masse, nicht um die Offenlegung und Transparenz von Vereinen und Organisationen dem Staat gegenüber, wie im Text assoziiert und von der diskussionswürdige Organisation angestrebt. In diesem Zusammenhang zu klären was der Staat eigentlich ist, macht Sinn!
Meinen Dank für die Zitate und den Verweis, welches mich veranlasste diese interessante Schrift nachzulesen.
Eine Anmerkung noch, welcher Sinn steckt hinter dem Anliegen das Vereine und andere Organisationen sich pauschal und ohne Notwendigkeit offenbaren? Wenn Menschen an bestimmter Organisiertheit interessiert sind, so werden sie Wege und Möglichkeiten finden sich entsprechend zu informieren. Und denken wir daran, wessen Brot ich esse, dessen Lied ich sing!
Kommentar: Th. Loch – 30. Januar 2017 @ 19:49
[…] Lieber Thomas, […]
Pingback: Deutscher Freidenker-Verband e.V. – Landesverband Berlin » Antwort an Thomas Loch – 02. Februar 2017 @ 21:32
[…] erste Teil ist, möchte ich den zweiten nicht schuldig bleiben, welcher sich auf Deine Aussagen zu meinem Kommentar […]
Pingback: Deutscher Freidenker-Verband e.V. – Landesverband Sachsen-Anhalt » Der zweite Teil einer Antwort! – 03. März 2017 @ 23:54