Ein Brief aus Berlin
Liebe Mitmenschen,
was sich gegenwärtig in den Pflegeeinrichtungen abspielt, macht mir große Sorgen. Ich bin eine Gruppenleitung und täglich nicht nur für das Wohl unserer ambulant versorgten kranken alten Mitbürger zuständig, sondern auch für das Wohl unserer Mitarbeiter. Und dieses Wohl der Mitarbeiter ist in großer Gefahr.
Seit 22 Monaten kämpfen wir als ambulanter Pflegedienst in Berlin an vorderster Front im Kampf gegen Corona. Alle Mitarbeiter haben dabei täglich ihr Bestes gegeben, mit viel Sorgfalt und Fürsorge die Kunden versorgt. Sie haben sich der Coronagefahr täglich ausgesetzt, sind an ihre Belastungsgrenzen gekommen und haben trotzdem durchgehalten. Sie haben weder unsere Kunden mit Corona infiziert, noch haben sie sich bei der Arbeit in der Pflege bei Coronaerkrankten selbst mit Corona infiziert.
Unsere Schutzmaßnahmen wie regelmäßige Corona-Schnelltests, das Tragen von FFP-2 Masken und weitere Vorkehrungen waren somit erfolgreich und ausreichend. Und nun sollen unsere Mitarbeiter zum impfen gezwungen werden?
Das ist unmenschlich und unethisch. Erst dürfen sie für die Gesellschaft die Arbeit machen, vor der sich viele fürchten oder selbst niemals machen würden, und nun sollen diese Pflegekräfte dafür noch bestraft werden?
Nichts hat sich seit Ausbruch der Pandemie positiv für die Pflege geändert! Warum sollten sich die Mitarbeiter impfen lassen?
Unsere Mitarbeiter die nicht geimpft sind, ca. 10 Personen, werden den Pflegedienst verlassen und eine große Pflegelücke hinterlassen. Das heißt, ca. 60 Kunden können dadurch nicht mehr von uns versorgt werden.
Der Pflegeexodus ist also vorprogrammiert. Für mich als Gruppenleitung, die immer die Würde des Menschen im Blick und Herzen hat, ist es unbegreiflich, wie die Politik mit Pflegekräften umgeht. Außer ihnen noch einmal ins Gesicht zu schlagen, ist ihnen nichts eingefallen.
Ich bedaure es sehr, dass so viele Mitarbeiter der Pflege den Rücken kehren, denn es waren ausschließlich sehr gute Pflegekräfte. Empathisch, fürsorglich, verlässlich einsatzbereit und kollegial und einige schon über 20 Jahre in unserem Unternehmen, die jetzt per Gesetz raus geworfen werden müssen. Wie Hunde vom Hof gejagt. Das bricht mir das Herz. Ich kann meiner Fürsorgepflicht für diese Mitarbeiter nicht mehr gerecht werden, weil mir per Gesetz die Hände gebunden werden.
Eins ist sicher: Sollte die Politik später aufwachen, wenn der Schaden eingetreten ist, dann werden diese Mitarbeiter nicht mehr in die Pflege zurückkehren. Dieser mutwillig eskalierte Pflegenotstand wird sich nicht beheben lassen.
Petra Lebelt
Berlin, den 22.12.2021
Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=79332
Am 13. Oktober 2021 wählten die Berliner Freidenker ihren neuen Landesvorstand.
Gewählt wurden:
Klaus Linder, Landesvorsitzender
Hans-Günter Dicks, Stellvertretender Vorsitzender
Angelika Seifert, Schriftführung
Albrecht Ludloff, Kassierung
Im folgenden dokumentieren wir den auf dieser Wahlversammlung vorgetragenen Bericht des Landesvorstandes:
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich begrüße Euch zu unserer Wahlversammlung des Berliner Freidenkerverbandes, aufgrund des Corona-Regimes etwas später als vorgesehen.
Wir möchten zuerst unserer Genossen gedenken, die seit 2019 von uns gegangen sind. Ich darf Euch bitten, Euch zu ihren Ehren von den Plätzen zu erheben.
Wir gedenken der Genossen
Gernot Bandur
Professor Erich Buchholz
Gert Julius
Edi Mader
Unsere heutige Versammlung wurde in Übereinstimmung mit der satzungsgemäßen Frist formgerecht einberufen.
Unsere letzte Wahlversammlung fand am 15. Mai 2019 statt.
Gewählt wurden dort:
Klaus Linder, Landesvorsitzender
Hans-Günter Dicks, stellvertretender Vorsitzender
Anna Seifert, Kassierung
Albrecht Ludloff und Ingrid Koschmieder, Revision
Seit März 2020 konnten unsere Berliner Versammlungen nur unregelmäßig stattfinden, während der meisten Monate überhaupt nicht, behindert oder eingeschränkt durch das, was mal Lockdown, mal Hygienekonzept, mal „2G oder 3G Regeln“ hieß. Auch Leitungssitzungen fanden oft telefonisch statt. Die Einschränkungen betreffen die Betreiber der Räume und Lokale, die überhaupt zur Verfügung stehen. Das liegt außerhalb unseres Einflusses. Wie diese Träger und Gewerbetreibenden unterliegen auch wir einem weitgehenden Wegbrechen jeder Planungssicherheit. Das bedroht unsere organisierte Existenzform als Landesverbände und als Gesamtverband.
Prekäre Planungssicherheit betraf auch die heutige Wahlversammlung, die nicht nur während der in Berlin verhängten „3G“ – bald „2G“- Regimes stattfindet, sondern auch in die Verschärfung gegen sogenannte „Ungeimpfte“, die Tests nun auch noch selber bezahlen müssen, und zwar teuer. Uns war klar, dass es für die Mitglieder Gründe geben kann, einstweilen zu Hause zu bleiben. Der DFV hat seit eineinhalb Jahren erklärt, dass und warum er, bei notwendiger Kritik an den rechtlichen und medizinischen Aspekten, mit denen die Maßnahmen und der Ausnahmezustand durchgeführt und begründet werden, Mitgliedern keine Vorschriften oder Richtlinien erteilen wird, wie sie individuell die Gefährdung ihrer Gesundheit einschätzen und ihr persönlichen Verhalten einrichten sollten. Viele der uns mitgeteilten Gründe sind verstehbar, die manche Genossinnen und Genossen davon abhielten zu kommen. Wir freuen uns um so mehr über die, die hier sind. Wir haben also diese Versammlung auf diesem Termin belassen. Wir halten es für wesentlich für ein Verbandsleben, gerade jetzt, dass Wahlen und Austausch nicht zu sehr auf die lange Bank geschoben werden. Aber angesichts der verschiedenen technischen Ausstattungen und Fertigkeiten unserer Mitglieder sind online-Plena illusorisch.
Seit den Lockdowns hat sich ein beträchtlicher Teil ideologischer Auseinandersetzungen, teils mit harten Bandagen, ins Internet, in Publizistik, in Medien, Blogs, sogenannte soziale Netzwerke, Videokanäle, email-Verteiler verlagert. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass in einer Situation, die – in der Tendenz – Organisation als solche auseinanderlaufen und zerbröseln lässt, kaum Klärungen außerhalb des realen kollektiven Austauschs zu erzielen sind. Das hat uns auch unser Verbandstag unlängst wieder bestätigt.
Ich sagte, Auseinandersetzungen wurden seit den Lockdowns teils mit harten Bandagen geführt: Dazu gehört natürlich auch das Abschalten und Zensurieren etlicher medialer Kanäle durch unsere gemeinsamen Gegner, die diese Kanäle nun einmal besitzen. Die Härte war aber auch diesseits der Front ruckartig angestiegen. Wenn wir Freidenker im April 2020 erklärten, dass wir Glaubenskriege zwischen solchen, die Covid19 für vollkommen ungefährlich oder reinen fake halten, auf den nur angebliche „Coronagläubige“ oder „Schlafschafe“ hereinfallen könnten, und solchen, die jede Kritik für „Leugnung“, „Covidiotentum“, „Rechtsoffenheit“ usw. erklären, nicht mitmachen, dann taten wir das, weil wir das für ein Werk der Spaltung und Zersetzung von oben halten. Wir tun es aber nicht aus einer Position der Äquidistanz, die Repression und Verteidigung des Ausnahmezustands mit Widerstand und Kritik dagegen als „gleichermaßen irrational“ in einen Topf werfen würde. Aber das haben wir bei diversen Gelegenheit oft genug ausgeführt.
Harte Bandagen bekamen auch Freidenker zu spüren, nicht selten in einer Form, die das Argument durch den personenbezogenen Angriff ersetzt. Wer sich seit März 2020 um ein ausgewogene Analyse der Corona-Oberfläche des Krisengeschehens und des Wegs in den autoritären Maßnahmenstaat bemühte, konnte recht derbe Invektiven von zwei Seiten ernten. Dabei, nicht wirklich überraschend, besonders inquisitorisch zuweilen gerade von solchen, die gleichzeitig doch immer beteuerten, es ginge ihnen nur um das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das spiegelt sich in der aktuellen Mitgliederstatistik des DFV, auch des Berliner LV.
Die Klassenoffensive und Spaltung, die ab 2019 unter „Klima“ läuft, hatte sich für uns in Berlin nicht nachteilig ausgewirkt. Als eine der wenigen linken Organisationen in Berlin hatten wir offen gegen den sogenannten Klimastreik Stellung bezogen. Das brachte uns nicht Aus-, sondern Eintritte. Wobei solche Entscheidungen bei Licht besehen immer über den eigentlichen Auslöser hinausgehen. Heute hat der Berliner Freidenker-Verband 51 Mitglieder. 2019 verzeichneten wir 9 Eintritte, 2020 3. Ab 2020 brachte uns das Corona-Karussell auch Austritte. Wir sehen das gelassen. Sofern dies mit der speziellen Frage der Corona-Verwerfungen zu tun hatte, wurde uns einerseits vorgeworfen, dass wir keine Distanzierung von „Anti-Corona“-Protesten durch den Vorstand verlautbarten. Das sind Ultimaten, die wir nicht erfüllen. Austritte der anderen Seite, also unter der Flagge sogenannter „Coronakritiker“, wurden bezeichnenderweise explizit in Zusammenhang damit vollzogen, dass wir uns nicht von einem angeblichen chinesischen Totalitarismus distanzieren.Wer das vom DFV erwartet, hat sich tatsächlich in der Tür geirrt. Dies sei als ein Hinweis darauf gegeben, dass hinter der vorgeblichen Beschäftigung mit virologischen, medizinischen, statistischen Fragen sehr bald eine umfassendere politische Agenda zum Vorschein kommt, die sehr viele nationale und internationale Fragen umfasst. Unsere Auffassung ist, dass Bündnispolitik nicht zustande kommt, auch nicht wirksamer Protest, wo solchen außerhalb der Sache liegenden Vermischungen nicht konsequent entgegengearbeitet wird. Gewiss werden Klassenkämpfe heute gegen eine scharfe Gesamtoffensive geführt. Aber die konkreten Losungen von Protesten werden konterkariert, wenn sie durch ideologische Begleitprogramme ummantelt werden, die alles mit jedem „global“ verquirlen. Darum haben wir, vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen, in Berlin erst recht auf „Entmischung“ der Einzelfragen orientiert.
Dass Organisationen gegenwärtig ihre Reihen enger schließen und gewissermaßen das Prinzip von Organisation als solches verteidigen müssen, haben uns zahlreiche Angriffe gelehrt. Das erfordert auch aufwendige Arbeiten der Logistik und Verwaltung. Zu organisationspolitischen Zersetzungsmanövern von außen, die zu ideologischen von innen dazukommen, zählen etwa die Angriffe auf die Gemeinnützigkeit von ATTAC und VVN und der versuchte Angriff gegen die DKP über ihre Rechenschaftsberichte. Datenschutzverordnung, zentrale, digitale Mitgliedererfassung, ebensolche Kassenführung sind eine Pflicht geworden, die uns alle viel Arbeit und Umstellung kostet, auch im Berliner Landesverband, und insbesondere für unsere Kassiererin, die das alles hier professionell nach den Bundesvorgaben im Berichtszeitraum auf den Weg brachte. Wenn wir hier nur im Ungefähren arbeiten würden, wären wir angreifbar, und Angriffe werden sich häufen.
Wir können davon ausgehen, dass der Corona-Ausnahmezustand, jetzt im Übergang zu der Klima-Ausnahmezustands-Agenda, trotz seiner zerstörerischen Wucht nur ein Vorspiel ist. Damit werden sich die 2020 umkämpften Fragestellungen aber auch wieder verschieben, sie tun es bereits. Die Krise des Kapitalismus beschleunigt sich dramatisch auf allen Ebenen. Alle, die die Theorie der allgemeinen kapitalistische Krise für einen toten Hund hielten, werden gerade eines anderen belehrt. Wir erleben es nicht nur an der Zerstörung der bürgerlichen Demokratie in den imperialistischen Ländern. Wir sehen es an rascher Inflation, an Rohstoff- und Lieferkrise, von der spekulativ forcierten, mit außerökonomischen Maßnahmen angefeuerten Energiekrise ganz zu schweigen. In die Höhe schnellende Transport- und Frachtkosten, fehlende LKW-Fahrer und Container: ein angeblich wegen Corona aus den Fugen geratener Welthandel kommt ins Stocken. Von den vielbeschworenen Selbstheilungskräften des Kapitalismus keine Spur. Wir sehen die um sich greifende Fäulnis im Übergang der wirtschaftlichen in die politische Krise: Hier in Berlin vor unseren Augen an Wahlen abzulesen, die nur noch als Farce zu bezeichnen sind, für die man anderswo das Wort „Bananenrepublik“ verwendet hätte. Politische Intrigen, Betrug, Korruption, ergreifen öffentlich alle Aspekte sowohl von Regierungsbildungen als auch Regierungsstürzen. Das Wort „Planung“ scheint dem hochentwickelten Monopolkapitalismus inzwischen fremd zu sein, ob es sich nun um Krankenversorgung, aggressiven Impfimperialismus, oder eine vorausgesagte Flutkatastrophe handelt. Das jetzt schon für die unteren zwei Drittel kaum noch funktionierende gesellschaftliche Leben, wegbrechende Infrastrukturen im vormaligen Exportweltmeisterland Deutschland, hat außer einem Energie- und Heiznotstand mit Ansage sich möglicherweise auf ernsthafte Notstände der Nahrungsmittelversorgung einstellen. Auch hier wirkt die sogenannte Energiewende: Die Landflächen, insbesondere auf dem Territorium der kolonisierten DDR, werden für Biogas verwendet, 70% der Nahrungsmittel muss die BRD importieren. Die CO2-Bepreisung dient nicht nur der frontalen Ausplünderung der „eigenen“ Werktätigen, sondern auch als Strafzoll zur Schädigung anderer Volkswirtschaften und Hebel des Neokolonialismus. Aber die Knappheiten erreichen eben auch die deutsche Produktionsmittelindustrie, zur Zeit lesen wir gerade von den „Engpässen“ etwa für die Aluminiumverarbeitung, der Magnesiumpreis stieg auf das Fünffache seit dem Vorjahr. Für alle unlösbaren Widersprüche zwischen den übermorschen Produktionsverhältnissen und den Produktivkräften wird regelmäßig die Volksrepublik China verantwortlich gemacht, sobald „Corona“ nicht dazu herhalten kann. Aber halt – für „Corona“ und die Auswirkungen wird ja China ebenfalls verantwortlich gemacht…
Über die Kriegsvorbereitung und Propaganda gegen Russland und China, und welche Positionen der DFV dazu bezieht, muss hier nicht berichtet werden. In den Aktivitäten des Berliner LV spiegelt sich das, außer den „üblichen“ friedenspolitischen Beteiligungen, in unserer maßgeblichen Mitwirkung in der Initiative „Kein Aufmarschgebiet gegen Russland“, außerdem in unserem für den letzten Ostermarsch produzierten Transparent „Frieden und Zusammenarbeit mit Russland und China“. Unsere Positionen zur NATO und EU sind geläufig. Die sehr gute Nachricht: Wir stehen mit diesen Positionen nicht alleine. Wir müssen uns aber klar machen, dass das Bündnisumfeld, in dem wir solches vertreten, nicht mehr das vertraute bleiben wird. Die nun von der Linkspartei kassierte Quittung aufgrund ihres Burgfriedens mit der imperialistischen Gesamtoffensive, der Verlust des Rückhalts auch bei denen, die sie jahrelang zähneknirschend unterstützten, ihr somit wahrscheinlicher Übergang in eine Phase des Abstiegs in die Bedeutungslosigkeit, kann nicht ohne Folgen bleiben für die Zusammensetzung der Bündnislandschaft im außerparlamentarischen Bereich, die uns in Berlin bisher bekannt war. Denn gerade in Berlin wird jeder außerparlamentarische Protest ausnehmend „betreut“ durch das Wirken von parteigebundenen Vorfeldorganisationen, Stiftungen und „Nichtregierungsorganisationen“.
Wir werden also einerseits mit diversen Feldern für Widerstandskeime zu tun haben – wie sie in Berlin seit vier Wochen auch in den Streiks der Krankenhausbeschäftigten vorliegen, von denen man in den Nachrichten nichts erfährt, auch in der weiterhin sich verschärfenden Wohnungsfrage. Es werden andererseits neue hinzukommen, und auch wieder zeitweilig verschwinden, wenn die Inhalte keine angemessene Form finden. Gewiß auch wieder gegen das Maßnahmenregime und die drohende Impfpflicht. Wir werden große Anstrengungen leisten müssen, um gegen die Desintegration und Zersetzung, und auch ständige Unterwanderung oppositioneller Bestrebungen durch den dafür geschulten Gegner eine Antwort zu finden. Ich denke, der DFV hat Mittel, sich in der jetzt kommenden Lage nicht zerreiben zu lassen. Das erste Mittel ist Stärkung der Organisation mit allen ihren Aspekten.
Liebe Genossinnen und Genossen,
um Euch nicht durch eine Aufzählung aller Aktivitäten zu ermüden, an denen der Berliner Freidenker-Verband unterstützend mal mehr mal weniger profiliert im Berichtszeitraum beteiligt war, haben wir die Liste von Bündnisaktionen und eigenen Veranstaltungen separat ausgedruckt und ausgelegt.
Ein Nebenaspekt, der sich bei der Auswertung ergibt: Gerade in der Periode der massiven Beschränkungen des Versammlungsrechts, konnten wir, wenn wir uns beteiligten, den Grad der aktiven Mitgestaltung erhöhen – sei es durch Redebeiträge, sei es durch Formulierung von Losungen, Aufruf-Entwürfen. Und das, obwohl wir definitiv ein linker Verband sind, der sich die Freiheit nimmt, die Dogmen der westdeutschen Ideologie auch innerhalb von Oppositionsbewegungen in Frage zu stellen und Positionen auszusprechen, die bisweilen zunächst einmal kontrovers aufgenommen werden. Das war so, als wir unsere Anti-NATO-Flugblätter herausbrachten, das war so, als wir gegen die pseudo-linken pro-EU-Demos auftraten und das ist jetzt so mit unserem Flugblatt, das die Forderung nach einem „weltweiten Atomwaffenverbot“ einer Kritik unterzieht. Wo im Namen von Protest Herrschaftsideologie untergejubelt wird, wo eine untergründige Allianz mit den Interessen der Megakonzerne und Hochfinanz als „zivilgesellschaftliches Engagement“ verkauft werden soll, ob die Ergebnisse nun „Klimastreik“ oder „Unteilbar“ heißen, ist der DFV hellhörig und meldet sich zu Wort. Wir meinen, das Kräfte, die solchen Einspruch unterlassen, in der Zuspitzung der Klassengegensätze für bloßes Mitmachen oder Schweigen einen Preis zu zahlen haben werden. Wir halten nicht nur die offenkundige Unterdrückung der Meinungsfreiheit für unerträglich – natürlich ohne dass wir jede unterdrückte Meinung damit zu unserer machen würden -, sondern fast unerträglicher ist uns in unseren Reihen das linke Schweigen, wenn Elemente der Gleichschaltung in unsere Agenda eindringen.
Jede Kritik an einer opportunistischen, idealistischen Linken ist berechtigt. Aber: Wir können diese Kritik nicht vom Standpunkt der „reinen“ kleinbürgerlichen Demokraten aus formulieren, die heute mit Gründen und zu Recht auf die Straße getrieben werden. Es gibt keine erfolgversprechende Bündnisstrategie, die den Antikommunismus als bloßes Kavaliersdelikt hinnimmt, so selbstverständlich er auch als bundesrepublikanischer „Konsens“ erscheinen mag. Dieser Antikommunismus ist uns bekannt seit Jahrzehnten. Ob er sich nun innenpolitisch gegen die DDR oder außenpolitisch, unter immer neuen Verkleidungen, gegen die VR China richtet: Mit dem DFV sind solche Positionen nicht zu vertreten.
Im Rechenschaftsbericht 2019 hieß es: „Berlin ist immer noch Frontstadt. Eine übergreifende Organisation wie wir muß in sich den Gegensatz zwischen DDR und BRD aufnehmen, muß ihn bewältigen … Die Überwindung dieser grundsätzlichen Spaltung bleibt eine Hauptaufgabe unseres Landesverbandes.“
2019 machten wir mehrere Veranstaltungen, die der Auseinandersetzung mit dem westdeutschen Grundgesetz, den Verfassungen der DDR und dem sogenannten Einigungsvertrag gewidmet waren. Im Rückblick war das nicht nur dem 70. Jahrestag der Gründung der DDR geschuldet. Wir haben damit ein Thema auf die Agenda gesetzt, das mit den ersten Grundrechtsaufhebungen 2020 zentral wurde. Die Weiterführung lässt sich im neuen Freidenker-Heft nachlesen, das hier ausliegt. Wir unterstützten damals auch Aktionen des Vereins „Erneuerung der BRD an ihren Idealen“, um den Anti-Hartz-IV Aktivisten Ralf Boes. Wir taten das, obwohl wir die Illusion in eine „Erneuerung der BRD“ nicht teilen. Aber wir hielten es für notwendig, auf die längst als „Normalzustand“ hingenommenen Grundrechtsentzüge unter dem Hartz-Regime hinzuweisen. Dieser Aspekt fiel seit den Bürgerprotesten 2020 weitgehend unter den Tisch. Wir machen uns keine Illusionen über das Grundgesetz unter anderem als einen der Mythen der westdeutschen Konterrevolution, als ein Instrument zum Bruch des Potsdamer Abkommens und Verhinderung einer vom Volke sich souverän gegebenen Verfassung. Unsere Position ist nach wie vor die der KPD von 1949: Wir versagen diesem Grundgesetz unsere Unterstützung, aber wir werden die ersten sein, d i e w e n i g e n d a r i n v e r a n k e r t e n d e m o k r a t i s c h e n R e c h t e zu verteidigen.
Das ist, meinen wir, ein brauchbarer Kompaß, um eine rationale, selbstständige Strategie zu finden angesichts der weiteren Offensiven des transatlantischen BRD- und des Weltimperialismus, angesichts dessen Politik der Kriegsvorbereitung und -führung gegen die nichtimperialistische Welt, der Faschisierung, der Verelendung und Unterdrückung nach innen, der Aggression und des Kolonialismus nach außen. Die globale Machtverschiebung und Brechung der Vorherrschaft der westlichen Allianz ist bereits eingeleitet. Wir müssen aber davon ausgehen, dass wir in Berlin in einem Zentrum der Reaktion und der Menschenfeindschaft agieren, wo allen Kräften des Fortschritts und der Befreiung erbitterter Widerstand entgegentreten wird, wenn sie auch nur in einem Punkt die Grundlagen des heutigen Imperialismus angreifen. Wir werden dem nur standhalten, gegen Behinderungen, Illusionen und Zersplitterung, als eine funktionierende Organisation des demokratischen Zentralismus, in gemeinsamem Nachdenken und wohlabgestimmtem Handeln.
für den Landesvorstand Klaus Linder